Donnerstag, 15. Januar 2015

Liebe und Dogma

Um mehr als Liebe geht es in der Tat nicht - aber auch nicht um weniger. Und das ist der Knackpunkt. Wenn Jesus in der Bergpredigt "zur Liebe anregt", dann stellt sich natürlich die Frage, was das heißt: Was ist denn "Liebe"? Der 1. Johannes-Brief verrät: "Gott ist die Liebe" (1 Jo 4,16b). Liebe ist also nicht nur ein Gefühl, eine Emotion, die kommt und geht. Wenn Jesus seine Jünger zur Liebe aufruft, dann ruft er sie zu Gott, zur vollkommenen Liebe. Oder mit den Worten des Evangelisten Matthäus: "Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist" (Mt 5,48). Das wiederum zitiert natürlich Levitikus 19,2: "Seid heilig, denn ich der Herr, euer Gott, bin heilig" - in der jüdischen Tradition gehen Heiligkeit und Vollkommenheit ineinander über. Das ist durchaus ein gewaltiger Anspruch, vor dem man dann und wann verzweifeln mag. Jer 31,33 gibt dabei insofern Hoffnung, als das Gelingen dieses Anspruches verheißen wird: Gott selbst schreibt das Gesetz seinem Volk ins Herz - das Befolgen dieses Aufrufs wird nicht nur ein äußerlicher Akt sein, eine Eigenschaft unter vielen, ganz im Gegenteil wird es ein Wesensmerkmal seines Volkes werden, das so in die Vollkommenheit eintritt.