Montag, 28. November 2016

Hermeneutik des Gebets

Es erscheint notwendig, sich klarzumachen, was das Gebet bedeutet. Und das ist eben kein Münzwurf in den Wunschbrunnen, kein Reiben der magischen Hasenpfote, kein Zerstäuben von Feenstaub etc. Es geht darum, im direkten Dialog mit Gott, mit den Engeln, mit den Heiligen, eine konkrete Situation, ein konkretes Ereignis, eine konkrete Sache in den ontologischen Gesamtzusammenhang zu stellen, das Unvollkommene - um mit Boethius zu sprechen - im Licht des Vollkommenen zu betrachten. Modulationen dieser Betrachtung liegen z.B. im klagenden, im lobenden, im beschreibenden, im bittenden Ton.

Mittwoch, 23. November 2016

"Paleys Uhrmacher" und das ethnologische Argument

Der sog. "indirekte Gottesbeweis" - damit ist vor allem "Paleys Uhrmacher" gemeint - ist eine relativ neu(zeitlich)e Erfindung, denn er setzt den mechanischen Kosmos etwa eines Isaac Newton voraus. In historischer Dimension ist er zudem nicht Vorläufer von, sondern Reaktion auf Aufklärung und Naturwissenschaft; dies aus einer bestimmten Ecke heraus, die vor Leibniz' Deismus - Gott als zureichender Grund, d.h. erste Formursache - so nicht (ernsthaft) denkbar war.

Montag, 21. November 2016

Zum faustischen Geiste

Faust erwacht im zweiten Teil des Dramas frisch gestärkt in der anmutigen Gegend, nachdem er das Kind (Ist über vierzehn Jahr doch alt!) mit derselben Hybris ins Verderben gestürzt hat, deretwegen ihn der Erdgeist weiland verstieß. Der Geist, den er begreift, wird indes im Prolog vom Herrn höchstselbst benannt: 

Der reizt und wirkt und muss als Teufel schaffen.

Er ist es auch, der in der Hexenküche mit oben zitiertem Spott auf die Verknüpfung von Wort und Denken blickt, nachdem er bereits dem jungen Schüler in der Sprechstunde zugesetzt hat:

Denn eben, wo Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein. 

Am Ende will der faustische Geist gar nicht denken, er will überhaupt nicht erkennen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Und so stirbt er im hohen Alter erblindet und mit Zufriedenheit, die er aus seiner Imagination schöpft, weil er die Lemuren-Totengräber für seine getreuen Arbeiter hält. Goethe präsentiert damit den umfassend gebildeten Renaissancemenschen nach seiner (Goethens) Façon. Ein geflügeltes Wort ließ die Soldaten "mit dem Faust im Tornister" in den ersten Weltkrieg ziehen, Oswald Spengler sprach von der "faustischen Kultur" im Herrenvolk, und Thomas Mann sah in der dramatischen Dynamik eine Entsprechung zur Verwicklung von deutschem Volk und Nationalsozialismus. 

Welchem Geist gleichen die Adepten dieser Diskussion, welchen Geist begreifen sie?