Montag, 10. Dezember 2007

Kleine Begriffskunde der Freiheit

Es passiert nicht oft (zumindest nicht mehr), dass ich mir beim Lesen eines Pseudonyms denke: "Warum hast du das nicht für dich gewählt?" Aber dann fiel mir wieder ein, dass dies nur eine historische Verklitterung meines Lebens bedeuten würde. Es würde heutige Paradigmen in die Vergangenheit projizieren. Anders: den Gedanken weitergesponnen, würfe ich mir vor, damals nicht wie heute gewesen zu sein. Damals hatte ich noch keinen Freiheitsbegriff an sich. Überhaupt hat das Nachdenken über den Begriff "Freiheit" wohl erst im letzten Jahr, soll heißen 2006, tatsächlich begonnen. Respektive der Gedanke, dass die Freiheit im Trio mit der Gleichheit und der Brüderlichkeit - die Triangel schlechthin, wie man sie in der Schule als das Nonplusultra der französischen Revolution (also dem, was vor Napoleons Plebiszitärkaisertum kam) gelehrt bekommt - als einziger Begriff hervorsticht. Freiheit kann man nämlich nicht staatlich erzwingen. Überhaupt: "Freiheit" und "erzwingen" in einem logischen Zusammenhang kann nur auf das Stilmittel der Antithese hinauslaufen. In der Schule lernt man das nicht. Dass aber keine Missverständnisse auftauchen: den Irak meine ich damit nicht. Um Freiheit ging es dabei nämlich nur sekundär - wenn überhaupt. Demokratie ist das Stichwort.

Sonntag, 7. Januar 2007

[Rezension] Günter Ederer, Die Sehnsucht nach einer verlogenen Welt

Ederer, Günter: Die Sehnsucht nach einer verlogenen Welt. Unsere Angst vor Freiheit, Markt und Eigenverantwortung. Über Gutmenschen und andere Scheinheilige, München 2002.

"Warum trauen wir dem Staat mehr als uns selbst?" Diese Frage stellt der renommierte Wirtschaftsjournalist Ederer (langjähriger Redakteur des Wirtschaftsmagazins "Bilanz") und geht gleich daran, sie zu beantworten. Eigentlich wollte er sein Werk "Freiheitsbuch" nennen, aber der tatsächliche Titel passt wie die Faust aufs Auge.

Ederer zeigt nicht nur auf, wie schief es läuft, wenn sich linke Sozialstaatsromantiker und konservative Etatisten zusammentun - er beschreibt auch die schwachsinnigen und haarsträubenden Dinge in unserem Staat, der Bananenrepublik Deutschland, die aus dieser unheiligen Ehe hervorgegangen sind.

So stellt er beispielsweise die "Zentrale gegen den unlauteren Wettbewerb" in Bad Homburg vor, die sich auf der Grundlage von Gesetzen aus dem kaiserlichen und national-sozialistischen Deutschland darum kümmert, dass unser Land eine Servicewüste bleibt. Schließlich würden lebenslange Garantien und Umtauschrechte auf Produkte nur zu mehr Wettbewerb führen, bei dem der bessere Service einen unfairen Vorteil gegenüber anderen Anbietern hätte.
Oder aber er erzählt vom "Bundesinstitut für Berufliche Bildung" (BiBB), das in Zusammenarbeit mit dem Bundeswirtschaftsministerium, dem Bundesbildungsministerium, den Wirtschafts- und Kultusministerien der Länder, den Gewerkschaften, den Fachverbänden der Wirtschaft, den Dachverbänden der Wirtschaft für Koordinierung und das Prüfungswesen, den Kammern des Handwerks, der Industrie und des Handels und dem "Bundesinstitut für Berufsbildung" festlegt, was überhaupt ein Beruf ist. Dass überhaupt das deutsche Berufskammernsystem viel eher zu einem syndikalistisch oder faschistisch organisierten Staatssystem passt (man denke nur an den sog. "austrofaschistsichen Ständestaat", dessen Kern die Berufskorporationen darstellen sollten) denn in eine tatsächliche Marktwirtschaft, die diesen Namen auch verdient, verwundert dann auch nicht mehr.

Alles in allem ist es die "Unfreiheit als Tradition" (so der Titel eines Kapitels in Ederers Werk), welche auch heute noch - nach der vermeintlichen Befreiung Deutschlands - das politische Geschehen bestimmt. Sogar so sehr, dass selbst der "Weltuntergang als Steuerquelle" ausgenutzt wird, in Rentenfragen ein unbarmherziger "Krieg mit dem 1x1" tobt und Subventionen als "gute Fee" herhalten müssen, um das eine oder andere Wählerreservoir am Leben zu erhalten.

Stilistisch erinnert Ederer mit seinen teilweise sehr zynischen, oft humorvollen, aber dennoch stets flüssig zu lesenden Wendungen ein klein wenig an Michael Moore, ohne aber dessen bäuerlich-rustikale Plattitüde zu erreichen - ein großes Lob daher.

Trotz des Alters (erstmals im Jahre 2000 erschienen) ist dieses Buch brandaktuell - gerade zu Zeiten, in denen man sich ganz gerne vom Neoliberalismus, dem Ederer anhängt und was hierzulande als "soziale Marktwirtschaft" in den Himmel gelobt wird, distanziert. In jedem Falle lesenswert - gerade auch für diejenigen, welche erste Kontakte mit der liberalen Sicht auf die Welt knüpfen.