Samstag, 19. Dezember 2015

Populismus und die (ost-)deutsche Identität

Einem populären Argumentationsmuster nach kommt es gar nicht so sehr drauf an, welche Interpretation nun korrekt ist oder wo man fehlinterpretiert. Manchmal sei bereits das bloße Auftreiben und Bereitstellen einer Quelle die entscheidende Leistung in der Diskussion, neben der mögliche Fehlinterpretationen verblassen (sollen). "Reichsbürger" verfahren so bspw. mit Erlassen der Alliierten, Gesetzestexten oder Urteilen des BVerfG. Wo dennoch Widerspruch kommt, da genügt gruppen-intern meist der Hinweis, dass andere - "systemtreue" - Leute die gleiche Linie fahren wie derjenige, der den Widerspruch erhebt, und schon ist (im Idealfall) der Einwand vom Tisch.

Dienstag, 8. Dezember 2015

"Orthodoxe" und "heterodoxe" Ökonomik

Es scheint in der Tat ein Problem innerhalb der Wirtschaftswissenschaften zu geben - und vieles scheint daran zu liegen, dass "der Ökonom" gerade in gesellschaftlicher Perspektive zu einem gewissen Ruf gelangt ist, den früher z.B. "der Soziologe" hatte (vor der kulturwissenschaftlichen Wende, wie man sagen muss). Namentlich den Ruf als vertrauenswürdigen Sozialingenieur, der weiß, wie die Mechanismen funktionieren. Und während die Soziologen sich zu kulturwissenschaftlichen Schöngeistern gemausert haben, scheint der Ökonom archetypisch als Betriebswirtschaftler zu existieren. Allerdings ist das ein wissenschafts-soziologisches bzw. wissenschafts-politisches Problem, und kein wissenschafts-theoretisches.

Montag, 7. Dezember 2015

Soziale Marktwirtschaft und sozialer Staat

Soziale Marktwirtschaft ist praktizierter Neoliberalismus - schließlich entstammt diese Konzeption der ordoliberalen Strömung innerhalb der Wirtschaftswissenschaften. Aber der akademische Elfenbeinturm ist nur in den seltensten Fällen intuitiv, darum eine politische Argumentation:

"Sozialisten" sollten anerkennen, dass es sich dabei um echte Marktwirtschaft handelt, und dass der (deutsche) Sozialstaat wie er von den 1950er bis in die 1970er Jahre hinein aufgebaut wurde, eine Abweichung vom eigentlichen Konzept darstellt, die vom sozialstaatlichen Unions-Flügel um Adenauer durchgesetzt wurde, gegen die wirtschaftsliberalen Leute um Erhard und Müller-Armack, und um auch den Sozialdemokraten entgegenzukommen.

"Kapitalisten" andererseits sollten anerkennen, dass der Markt eben nicht in erster Linie ein Instrument zur Herstellung bestimmter Ergebnisse darstellt, sondern die natürliche Form zwischenmenschlicher Kommunikation unter dem Aspekt der Knappheit, die als solche des Schutzes durch eine Instanz bedarf, welche zur Ausübung von Macht und Gewalt legitimiert ist.

Soll heißen: Die soziale Marktwirtschaft ist kein "dritter Weg" zwischen Kapitalismus und Sozialismus, sondern in gewisser Weise beides, insofern beide die Ökonomie dem Menschen dienstbar machen wollen anstatt umgekehrt.

Donnerstag, 3. Dezember 2015

Zum sog. "dritten Weg"

Ein "dritter Weg" im Zuge der Wiedervereinigung wäre mittel- bis langfristig nicht lebensfähig gewesen, da er in letzter Konsequenz den (gerne als Begriff gebrauchten) "Sonderweg" zementiert bzw. gepflegt hätte. Ein als komplett neuer Staat wiedervereinigtes Deutschland hätte sich in der veränderten weltpolitischen Lage vollständig neu orientieren müssen - mit der Hypothek einer faktisch abgebrochenen europäischen Integration. Genau so eine selbstgewählte Isolation war jedoch maßgeblich für den Prozess verantwortlich, an dessen Ende die deutsche Teilung stand.

Es ist notwendig für ein gesamtdeutsches Gemeinwesen, die drei Dimensionen des "Deutschseins" in sich zu tragen: kleindeutsch-preußisch, "großdeutsch"-europäisch, "Trias" der Mittelstaaten. Die Bundesrepublik hat alle drei Elemente in einem sinnvollen Verhältnis zueinander verwirklicht. Das wäre bei einem "dritten Weg" (v.a. mit dem Anspruch, "zwischen West und Ost" zu stehen und "weder Kommunismus noch Kapitalismus" zu praktizieren) nicht (mehr so) gegeben gewesen, sondern hätte wohl eher ein Wiederaufleben von Schaukelpolitik und Autarkiebestrebungen bedeutet.