Montag, 26. September 2016

Nachtgedanken: Anarchismus

Freiheit ist ein ganz zentraler Begriff im Diskurs über "Anarchie". Gerade der russische Anarchismus hält mit seiner volja ein Verständnis hoch, das sich auch ganz bewusst von der "bürgerlichen" Freiheit (svoboda) unterscheidet und abgrenzt - und damit auch von der Freiheit als "Einsicht in die Notwendigkeit", wie sie vom orthodoxen Marxismus definiert wird: der "Freiheit des Untertanen" wird so die "Freiheit des Banditen" entgegengestellt. Prinzipiell erscheinen Anarchie und Religion vielleicht unvereinbar. Zumindest im protestantischen Westen. Wo der Landesherr als Notbischof das Kirchenregiment führt. Konkret wird diese Einschätzung allerdings gerade beim russischen Anarchismus und Sozialrevolutionismus problematisch. Im Gegensatz zur (zum) dezidiert antiklerikalen Sozialdemokratie (Kommunismus) war/ist dieser nämlich in der russisch-orthodoxen Volkskultur verankert. Nicht umsonst greift auch und gerade der russische Nihilismus ostkirchliche Denkstrukturen und -muster auf, schließlich stammt er aus der Kontroverse zwischen den "Slawophilen" und den "Westlern". Ganz zu schweigen davon, dass der anarchistisch-sozialrevolutionäre Terror im späten Zarenreich bewusst religiöse Motive aufgegriffen hat, um den Kampf gegen das Regime heilsgeschichtlich zu überhöhen: Der anarchistische Selbstmordattentäter trat auf als Büßer und Messias-Ersatz, und die durch und in und mit volja geeinte Gemeinschaft der Revolutionäre übernahm die Funktion der Heilsgemeinde.

Donnerstag, 22. September 2016

Nachtgedanken: Ästhetik und Gender

Die Frau als hübsch ausstaffierte Puppe wird für das gemocht, was sie ist. Der Mann als heroischer Siegertyp wird für das gemocht, was er tut. Das ist eine Abwertung des Mannes, der sich als Heros nur durch seine Taten rechtfertigt und in sich selbst keinen Grund trägt, warum man ihn mögen sollte - er muss diesen Grund extrinsisch erst erzeugen. Dem gegenüber trägt die Frau durch diese ästhetische Komponente den Grund dafür, warum sie gemocht wird, in sich selbst.

Wenn nun einseitig der weibliche Stereotyp abgeschafft werden soll, dann passt das in den allgemeinen kulturellen Desubstanziationsprozess, der dem Menschen keinen inhärenten Wert zusprechen mag. Denn so wird auch die Frau unter den Druck gestellt, ihren Wert extrinsisch erst einmal zu erzeugen.