Sonntag, 5. Dezember 2010

Zum Wunderglauben

Ein Wunder ist ein Phänomen, das die Größe und Herrlichkeit Gottes herausstreicht. Auf welche Art und Weise dies geschieht, ist dabei zweitrangig. Wichtig ist, dass der dahinterstehende und -wirkende logos erkannt wird, der Sinn, den dieses Phänomen hat; der spezifische technische Ablauf ist eigentlich egal. Wenn die Hebräer in der leeren Wüste auf einmal einem Schwarm Wachteln begegnen, durch den sie ihren Hunger stillen können, dann ist es vollkommen egal, ob die Wachteln durch bestimmte Naturgegebenheiten eine Alternativroute für ihren jährlichen Vogelzug gewählt haben oder ob es sich dabei nur um einen verirrten Schwarm eines größeren Wachtelverbands handelte oder ob der Herr hier urplötzlich Vögel aus dem Nichts herbeigezaubert hat. Zum Wunder wird die Begebenheit dadurch, dass das Wirken Gottes - der für sein herumwanderndes Volk sorgt - erkannt wird. Und das ist eine theologisch-philosophische, keine naturwissenschaftliche Fragestellung.

Ein Wunder muss verstanden werden (hermeneutischer Zugang) - wie man es erklärt (analytischer Zugang), ist zweitrangig.

Gewiss: Nach diesem Ansatz ließe sich in allem ein Wunder sehen. Deshalb sind Christen so lebensfroh: Ihnen begegnen tagtäglich Wunder.

Die Ansicht, der Wachtelschwarm wäre nur dann ein Wunder, wenn man eben nachweisen könnte, dass er aus dem Nichts kam, ist in meinen Augen ein sehr naiver, ein sehr beschränkter Wunderbegriff: Er baut in letzter Konsequenz auf einem Weltbild auf, das zumindest in der Nähe historisch-materialistischer Modernisierungskonzepte steht. Wenn ein Wunder nicht mehr theologisch definiert wird, sondern zu einer naturwissenschaftlichen Kategorie, die all das umfasst, was nicht experimentell bewiesen werden kann, dann kommen wir ganz schnell zu einem vulgären Religionsbegriff, der eine daran angepasste Religionskritik nach sich zieht. Ganz zu schweigen von den Problemen, die wir mit den anderen Geisteswissenschaften bekommen: Fast alle Ergebnisse der Geschichtswissenschaft beispielsweise wären unter diesem Gesichtspunkt nämlich als Wunder zu verbuchen.

Dienstag, 23. November 2010

Compromittierende Diskursbeobachtungen: Disputative Dialektik und eristische Extravaganzen

Wer mit dem Stallgeruch des Glaubens behaftet ist, der wird - gerade im Internet - über kurz oder lang in Situationen kommen, in denen ihm nur die Niederlage oder aber eine unterlegene Position bleibt. 

Freitag, 12. November 2010

Epistemologische Extravaganzen

Jede Wissenschaft ist Geschichtswissenschaft, insofern sie das Faktische zu ihrem Forschungsgegenstand erhebt.

Die Quellen eines Naturwissenschaftlers unterscheiden sich nicht prinzipiell von denen eines Historikers.

Wissenschaft wird erst durch ein bestimmtes Paradigma, vermittels dessen Brille die entsprechenden Quellen ausgewertet werden, zur Naturwissenschaft.

Naturwissenschaftliche Quellenkritik bedeutet experimentelle Wiederholung.

Das naturwissenschaftliche Paradigma postuliert eine vernünftig nachvollziehbare ontologische Ebene des Regelhaften, die sich im Faktischen zeige.

Diese ontologische Ebene des Regelhaften wird mit dem Wort "Naturgesetze" umschrieben.

Diese ontologische Ebene wird als gegeben hingenommen. Sie kann nicht aus dem naturwissenschaftlichen Paradigma selbst abgeleitet werden, da sie seine wesentliche (in beiderlei Wortsinn) Prämisse darstellt.

Diese ontologische Prämisse kann vernünftig begründet werden. Die Begründung ist philosophischer oder theologischer, kurz: ontologischer Art.

Wo sie nicht vernünftig begründet wird, da ist sie willkürlich gesetzt.

Wo sie geleugnet wird, kann nicht naturwissenschaftlich gearbeitet werden.

Donnerstag, 7. Oktober 2010

Atheismus mal drei

Ein Baum kann sich nicht selbst hervorbringen. Ein Mensch kann sich nicht selbst hervorbringen. Ein Windstoß kann sich nicht selbst hervorbringen. Sie alle brauchen einen Ursprung außerhalb ihrer selbst, da sie alle den Regeln der Natur, d.h. der Gesamtheit der sinnlich fassbaren und beobachtbaren Welt, unterworfen sind.

Nun stellt sich die Frage: Ist die Natur ihren eigenen Regeln unterworfen? Gelten die Regeln, die innerhalb der Gesamtheit der sinnlich fassbaren und beobachtbaren Welt nachvollzogen werden können, auch für die Gesamtheit der sinnlich fassbaren und beobachtbaren Welt selbst?

Montag, 14. Juni 2010

Zum Monismus

Ausgangspunkt ist, wenn wir auf monistischem Boden stehen, die Vielheit des relativen Ich: alles ist letztlich Schein, deshalb gibt es kein absolutes Ich, sondern das Ich kann nur relativ sein, sprich: in Relation zu anderen Ichs existieren. Das Ziel ist die Einheit im Absoluten, die, wenn ich es recht verstanden habe, identisch mit der Beseitigung des relativen Ich ist. Der Weg dorthin ist die Erkenntnis. Diesen Weg gibt es nun dreifach, nicht aufgefasst als interpersoneller Prozess, sondern als einseitige individuelle Handlung des relativen Ich:

Sonntag, 28. März 2010

Politik und Ökonomie

(a) Politik ist die Regelung der Angelegenheiten, welche die polis betreffen, also das Gemeinwesen, das Öffentliche.


(b) Wirtschaft hingegen, oikonomia, ist die Regelung der Angelegenheiten, welche das Haus betreffen, also das Private. 

In beiden Sphären sollten sich idealerweise Verantwortung tragende Subjekte treffen, die sich auf einer Basis gegenseitiger Anerkennung als Subjekt begegnen und austauschen. Wo die eine Sphäre Einfluss auf die andere nimmt, da wird die Begegnung zwischen Subjekten eingeschränkt (wenn nicht ganz verhindert), da beide Sphären nach unterschiedlichen Regeln funktionieren. Mehr noch: Beide Sphären sind aufeinander angewiesen. Wo die Regelung der privaten Angelegenheiten defizitär verläuft, da nimmt auch die Regelung der öffentlichen Angelegenheiten Schaden. Und wo die Regelung der öffentlichen Angelegenheiten nicht mehr richtig funktioniert, da wird die Regelung der privaten Angelegenheiten beschädigt.

Donnerstag, 4. Februar 2010

100 Tage Schwarz-Gelb

Ich glaube, in die Wahrnehmung der neuen Bundesregierung spielt sehr viel Fundamentalopposition hinein. Die Koalition wurde in der (ver)öffentlich(t)en Meinung bereits vor der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags als handlungsunfähig gebrandmarkt, schon direkt nach der Wahl für regierungsunfähig erklärt. So wie Schröder die Deutschen durch die Konstruktion eines äußeren Feindes geeint hat, eint die schwarz-gelbe Koalition die Deutschen, indem sie als der innere Feind auftritt. Und das klappt doch hervorragend. Das Schöne ist zudem, dass für jeden Deutschen ein Hassobjekt dabei ist: der schwule Außenminister, der polnische Außenminister, die ostdeutsche Kanzlerin, die Pastorentochter, die ungläubige Naturwissenschaftlerin, der bayerische Kriegsminister, der adlige Kriegsminister, der Rollstuhlfahrer, der Rollstuhlfahrer mit dem schwarzen Koffer, der unsoziale Asiate im Gesundheitsamt, die islamophobe Tante im Familienministerium, usw. usf.

 

Ich selbst habe sieben Jahre Rot-Grün überstanden und war sogar stellenweise überrascht, wie vernünftig doch manche Ansätze waren. Insofern bin ich durchaus bereit, der neuen Regierung zumindest mal eine Chance zu geben und sie nicht schon nach einhundert Tagen abzuwatschen.