Dienstag, 23. November 2010

Compromittierende Diskursbeobachtungen: Disputative Dialektik und eristische Extravaganzen

Wer mit dem Stallgeruch des Glaubens behaftet ist, der wird - gerade im Internet - über kurz oder lang in Situationen kommen, in denen ihm nur die Niederlage oder aber eine unterlegene Position bleibt. 
Argumentum ad copiam
  • Hat der fragliche Diskutant eine Antwort auf jedes noch so hanebüchene Argument und jedes noch so akribisch konstruierte potenzielle Beispiel, so vertritt er "offenbar" ein geschlossenes Weltbild, dem mit Vernunft nicht beizukommen ist. Daraus folgt, dass dieses Weltbild verworfen werden muss.
  • Scheitert der fragliche Diskutant an einem Argument, sei es noch so hanebüchen, oder einem Beispiel, gleich wie weit hergeholt es erscheinen mag, so ist das von ihm vertretene Weltbild "offenbar" nicht in der Lage, die drängenden Fragen der Zeit zu beantworten. Daraus folgt, dass dieses Weltbild verworfen werden muss.
Argumentum ad scripturam sive fontes
  • Pflegt fraglicher Diskutant einen wortwörtlichen Zugang zu der von ihm herangezogenen Schrift, so vertritt er "offenbar" ein verknöchertes und rückständiges Weltbild, dem mit Vernunft nicht beizukommen ist. Daraus folgt, dass dieses Weltbild verworfen werden muss.
  • Verweist fraglicher Diskutant auf verschiedene Bedeutungsebenen jener Schrift, so verfährt er "offenbar" nach der Maxime "was nicht passt, wird passend gemacht" und vertritt damit ein Weltbild, in dem je nach gewünschtem Ergebnis alles möglich ist. Dem ist mit Vernunft nicht beizukommen. Daraus folgt, dass dieses Weltbild verworfen werden muss.
Argumentum ad cottidianum
  • Bezieht fraglicher Diskutant seine Argumentation auf etwas, das den innerweltlichen (immanenten) Erfahrungshorizont übersteigt, so haben praktische mythologische Vorstellungen "mehr Realitätsbezug" und die Argumentation erweist sich als sophistische Spielerei. Aus dieser "offensichtlichen" Bedeutungslosigkeit folgt, dass das zugrunde gelegte Weltbild verworfen werden muss.
  • Bezieht fraglicher Diskutant seine Argumentation auf etwas, das in den innerweltlichen Erfahrungshorizont eintritt, dann erweist sich der Inhalt als simple Projektion, die ein Ideal auf irgendeine Alltagserfahrung pfropft. Aus dieser "offensichtlichen" Bedeutungslosigkeit folgt, dass das zugrunde gelegte Weltbild verworfen werden muss.
Argumentum ad revisionem
  • Prüft fraglicher Diskutant sein Weltbild an seinen Erfahrungen und behält das, was er nach wie vor als gültig erachtet, so erweist er sich "offenbar" als halsstarrig und beratungsresistent. Da dem mit Vernunft nicht beizukommen ist, muss das Weltbild verworfen werden.
  • Prüft fraglicher Diskutant sein Weltbild an seinen Erfahrungen und verwirft jene Teile, welche er als unhaltbar erkannt hat, so verfährt er "offenbar" nach der Maxime "was nicht passt, wird passend gemacht". Dem ist nicht mit Vernunft beizukommen. Daraus folgt, dass das zugehörige Weltbild verworfen werden muss.
Wer im Glanz des Unglaubens steht, der wird - vor allem im Internet - über kurz oder lang in Situationen kommen, in denen ihm nur der Sieg oder aber eine siegreiche Position bleibt.

Argumentum ad copiam
  • Hat der fragliche Diskutant auf alle Argumente oder Beispiele eine Antwort, so zeigt dies, wie wohldurchdacht das zugrunde liegende Weltbild ist, da es sich "offenbar" ganz aus der Vernunft speist. Daraus folgt, dass dieses Weltbild unterstützt werden muss.
  • Scheitert der fragliche Diskutant an einem Argument oder Beispiel, so ist dies ein Zeugnis für dessen offenes Weltbild, das sich "offenbar" ganz aus der Vernunft speist und auch Neues aufzunehmen bereit ist. Daraus folgt, dass dieses Weltbild unterstützt werden muss.
Argumentum ad scripturam sive fontes
  • Pflegt fraglicher Diskutant einen wortwörtlichen Zugang zu der von seinem Kontrahenten herangezogenen Schrift, um die konträre Position zu widerlegen, so zeigt dies seine große Kompetenz im Umgang mit dieser Schrift. Das beweist, dass das zugrunde liegende Weltbild nicht einseitig ist und deshalb unterstützt werden muss.
  • Bezieht fraglicher Diskutant verschiedene Bedeutungsebenen in seine Widerlegung mit ein, so beweist er eine noch größere Kompetenz im Umgang mit dieser Schrift. Das beweist, dass das zugrunde liegende Weltbild nicht einseitig ist und deshalb unterstützt werden muss.
Argumentum ad cottidianum
  • Bezieht fraglicher Diskutant seine Argumentation auf Dinge, die den direkten Erfahrungshorizont übersteigen und nur noch formal-logisch nachvollzogen werden können, so ist dies ein Beweis für sein stringentes Befolgen der Vernunft. Daraus folgt, dass dieses Weltbild unterstützt werden muss.
  • Bezieht fraglicher Diskutant seine Argumentation auf Dinge, die sich im direkten Erfahrungshorizont befinden, so zeigt dies die Realitätsnähe seines Weltbildes. Daraus folgt, dass es unterstützt werden muss.
Argumentum ad revisionem
  • Prüft fraglicher Diskutant sein Weltbild an seinen Erfahrungen und behält das, was er nach wie vor als gültig erachtet, so erweist sich fragliches Weltbild als vernunftbegründet. Es folgt daraus, dass das Weltbild unterstützt werden muss.
  • Prüft fraglicher Diskutant sein Weltbild an seinen Erfahrungen und verwirft jene Teile, welche er als unhaltbar erkannt hat, so verfährt er lobenswerter Weise ganz nach den Regeln der Vernunft. Daraus folgt, dass dieses Weltbild unterstützt werden muss.

Ohne Anspruch auf Vollständig- und Ernsthaftigkeit. ;-)

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