Samstag, 22. Juni 2019

Gott und Person-Sein

"Gott" ist in der Religionsgeschichte üblicherweise eine Chiffre für etwas Unverfügbares; für etwas höchst Erhabenes; für etwas Absolutes, das losgelöst besteht von den natürlichen Zusammenhängen, denen der Mensch unterworfen ist; für etwas "Über-natürliches" (wobei es da gewaltige, geradezu himmelweite Unterschiede gibt); oder für einen bzw. mehrere über-mächtige Akteure. Das kann im poly- und henotheistischen Kontext eine Art von Über-Mensch sein, im Pan(en)theismus umfasst es die Gesamtheit der Natur und ggf. noch ein bisschen mehr, und in der philosophischen Tradition handelt es sich um Fixpunkte, Absoluta oder letzte Notwendigkeiten im Denken.

Montag, 3. Juni 2019

Zur aktuellen Kirchenkrise

Recht eigentlich sind die "genderbezogenen Ungleichheiten" überhaupt nicht das Problem, welches ich als ein zentrales "Zeichen der Zeit" (Mt 16,1-4; GS 4) benennen würde.

In der Sozialforschung gibt es zwei Begriffe, um das Geschlecht eines Menschen zu benennen: Zum einen steht Gender als Bezeichnung des sozialen Geschlechts, also zur Bezeichnung der Rolle, die ein Mensch innerhalb einer Sozialstruktur ausübt und erfüllt. Zum anderen steht Sex als Bezeichnung des biologischen Geschlechts, also zur Bezeichnung eines natürlichen Merkmals, das ein Mensch von sich aus hat. Dabei genießt die Kategorie des Sex gegenüber der Kategorie des Gender ontologische Priorität, insofern letzteres eine menschengemachte Reflektion auf ersteres darstellt, das heißt: die soziale Rolle setzt notwendig immer schon bestimmte natürliche Merkmale voraus. Wie die Umsetzung dann konkret und im Einzelnen aussieht, unterscheidet sich je nach zeitlichem, sozialem und kulturellem Zusammenhang. 

That being said ...

Freitag, 19. April 2019

Maria und die zeitgemäßen Konventionen

Mit Maria wird uns im biblischen Narrativ eine Frau präsentiert, die ganz entschieden und in vollkommener innerer Freiheit Ja sagt zu einem unehelichen Kind - also einem Kind, das nicht von dem Mann stammt, mit dem sie ehelich verbunden ist. Zugleich steht sie damit auch und vor allem gegen die gesellschaftlichen Konventionen der Zeit:

Donnerstag, 18. April 2019

Maria 2.0: "Kirchliche Sexualmoral an der Lebenswirklichkeit der Menschen ausrichten"

"Die" Lebenswirklichkeit "der" Menschen gibt es so nicht, es gibt lediglich verschiedene Lebenswirklichkeiten von Menschen - denn die Lebenswirklichkeit eines Menschen hängt immer auch mit der geographischen Region, mit der kulturellen Tradition und mit der gesellschaftlichen Situation zusammen, in großen Teilen hängt sie gar von diesen Faktoren ab.

Mittwoch, 17. April 2019

Maria 1.0 ernst nehmen: Die Forderungen des sog. "Kirchenstreiks der Frauen"

  • kein Amt mehr für diejenigen, die andere geschändet haben an Leib und Seele oder diese Taten geduldet oder vertuscht haben 
  • die selbstverständliche Überstellung der Täter an weltliche Gerichte und uneingeschränkte Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden

Ein bedingungsloses Ja zu diesen beiden Forderungen.

  • Zugang von Frauen zu allen Ämtern der Kirche       
  • Aufhebung des Pflichtzölibat
  • kirchliche Sexualmoral an der Lebenswirklichkeit der Menschen auszurichten

Ein Fragezeichen gegenüber diesen drei Forderungen. "Maria vom Sockel holen" heißt doch zunächst einmal, ihr Vorbild ernsthaft zu betrachten, oder nicht?

Obwohl Maria gemeinsam mit der frühen Kirche und im Kreis der Apostel nach Christi Himmelfahrt im Gebet verharrte (Apg 1,14), gehört sie doch nicht zum Kreis der Zwölf (bzw. zu diesem Zeitpunkt Elf), in deren Nachfolge die ordinierten Bischöfe und Priester stehen. Maria ist insofern gerade keine Priesterin.

Wohl aber ist Maria immerwährende Jungfrau, soll heißen: Sie war Zeit ihres Lebens zölibatär und hat ihre Lebenswirklichkeit an dieser "Sexualmoral" ausgerichtet.

In die gleiche Richtung schauen wie Maria? Unbedingt.

Samstag, 16. Februar 2019

Der Künstler: Öffentliche Persönlichkeit und private Person

Im Prinzip kommt der Künstler als Privatperson erst nach der Vermittlung über ein dreiseitiges Prisma bei mir an. Zum einen, und ganz grundlegend, halte ich Kunst nicht nur für den rein subjektiven Ausdruck des jeweiligen Künstlers, sondern gestehe ihr gewissermaßen auch eine "objektive" (Bedeutungs-)Ebene zu. Durch diese Eigenständigkeit der Kunst gegenüber dem Künstler kann ich, zweitens, ein spezifisches Kunstwerk auch erstmal als solches aufnehmen und diesbezüglich ein ästhetisches Urteil fällen. Drittens verhält es sich dann speziell bei mir auch eher so, dass ich in der Regel wenig bis gar nicht am Privatleben des jeweiligen Künstlers interessiert bin (natürliche Ausnahme: Künstler, die ich persönlich kenne).

Mittwoch, 23. Januar 2019

Skirts rock

Als die Frauen die Rockmusik retteten

Zentral scheint mir in Stremmels Argumentation die Einschätzung der "weißen, männlichen Rockmusik" als Brecher von Konventionen, als Speerspitze wider die gesellschaftlichen Normen, die heutzutage ausgedient habe und "grotesk aus der Zeit gefallen" wirke, "wie eine Hochburg des Gestrigen". Dabei übersieht er m.E., dass gerade der Rockmusiker die drei Archetypen der westlichen ("weißen, männlichen") Kulturgeschichte nahezu beispiellos verkörpert: Leonardo, Faust und Casanova - der Rockmusiker ist seiner Rolle nach künstlerisches Genie, Tatmensch und Macher, sowie unersättlicher Liebhaber. Und bereits von ihren Ursprüngen her - namentlich die Aneignung des Rhythm-and-blues der afro-amerikanischen Unterschicht durch die weiße Mittelschicht in den frühen 1950er Jahren - steht die Rockmusik für die Restauration und Sicherung des "weißen, männlichen" Status-quo. So gehört die Rockmusik mit zu den am meisten traditionsverhafteten und reaktionärsten Genres der Musikgeschichte, was sich im Kleinen bereits typisch in Themen wie bspw. der Diskussion um "Röhre vs. Transistor" zeigt oder in der Frage, ob der Sound nun aus den Fingern kommt oder aus der Signalkette.

In diesem Gefüge beobachtet Stremmel nun - und das wahrscheinlich zurecht - einen "Kulturwandel": Tonangebend sind von nun an nicht mehr nur die Männer im o.g. Rollenmodell, sondern zunehmend auch Frauen. Abgesehen davon scheint sich jedoch nicht allzu viel geändert zu haben; zumindest erwähnt er jenseits davon nichts. Tatsächlich sieht es eher so aus, als würden nun zunehmend Frauen in die "weiße, männliche Rockmusik" hineinwachsen.

Ganz davon abgesehen, dass man den gesamten Artikel auch als bloßen Marketing-Stunt aus der Indie-Szene lesen, verstehen und erklären könnte.