Samstag, 16. Februar 2019

Der Künstler: Öffentliche Persönlichkeit und private Person

Im Prinzip kommt der Künstler als Privatperson erst nach der Vermittlung über ein dreiseitiges Prisma bei mir an. Zum einen, und ganz grundlegend, halte ich Kunst nicht nur für den rein subjektiven Ausdruck des jeweiligen Künstlers, sondern gestehe ihr gewissermaßen auch eine "objektive" (Bedeutungs-)Ebene zu. Durch diese Eigenständigkeit der Kunst gegenüber dem Künstler kann ich, zweitens, ein spezifisches Kunstwerk auch erstmal als solches aufnehmen und diesbezüglich ein ästhetisches Urteil fällen. Drittens verhält es sich dann speziell bei mir auch eher so, dass ich in der Regel wenig bis gar nicht am Privatleben des jeweiligen Künstlers interessiert bin (natürliche Ausnahme: Künstler, die ich persönlich kenne).

Kunst bzw. ein Kunstwerk, und darunter fallen Musik bzw. Musikstücke, kann (disclaimer: in gewissem Rahmen) "für sich selbst sprechen", d.h. eine eigene Bedeutung jenseits des jeweils Kunstschaffenden besitzen, und das ist für mich bislang das Kriterium, mir ein Kunstwerk zuzulegen oder es zu betrachten, d.h. mir eine CD zu kaufen oder Musik anzuhören oder einen Film anzuschauen o.ä. Darum kann ich auch heute noch bei den ganz wenigen tatsächlich lustigen Stellen der Cosby-Show lachen, weiterhin Filme mit Kevin Spacey gucken oder mir all diejenigen Musiker anhören, die sich durch ihren Drogen- und Alkoholkonsum selbst ins Grab gebracht haben.

Davon unabhängig steht freilich das ethische Urteil über die Taten einer anderen Person. Dass da bei einem weltbekannten Künstler die privaten Exzesse einen Schatten auf das künstlerische Werk werfen können, ist ganz natürlich. Andererseits muss ich hierbei auch zugeben, mich nie als Fan von Bill Cosby, Kevin Spacey oder den o.g. Drogen- und Alkoholopfern gesehen zu haben. 

Eine Art von Identifikation mit dem Künstler, die in gewisser Weise das Dasein als Fan ausmacht, geht weit über die bloße Beschäftigung mit dem Kunstwerk hinaus (ich denke da z.B. auch an Tribute-Bands, die den gesamten Komplex institutionalisieren). Hier scheint mir die Verbindung mit der Person des Künstlers kein Bug, sondern ein Feature des ästhetischen Urteils, das folglich sehr viel mehr mit dem ethischen Urteil ineinanderfließt als sonst.

An dieser Stelle kann möglicherweise Roland Barthes mit seinem "Tod des Autors" zur Lösung beitragen. Allerdings würde ich sagen, dass Barthes in seiner Einschätzung den Bogen etwas zu weit spannt, oder vielleicht anders/besser ausgedrückt: Die These vom Tod des Autoren (hier natürlich als pars pro toto für den Künstler allgemein) ergibt dort Sinn, wo eine Dichotomie aufgespannt wird zwischen einer rein "objektiven" Bedeutung des Kunstwerks, die ausschließlich beim Kunstschaffenden verortet wird, und einer rein "subjektiven" Bedeutung des Kunstwerks, die ausschließlich in den Augen des Betrachters liegen soll. Hier ist der "Tod des Autors" wesentlich dafür, dem Betrachter überhaupt einen Möglichkeitsraum zu eröffnen, damit ein Kunstwerk für diesen eine eigene Bedeutung jenseits der Person des Künstlers haben kann. So hat die These in Relation zu dieser Dichotomie eine nicht zu vernachlässigende Berechtigung, insofern sie den Grundstein dafür legt, dass ein Kunstwerk überhaupt ein Sinn-Potenzial besitzt. Vermittels dieses Sinnpotenzial erschließt sich das Kunstwerk dann über die konkrete(n) Zeit(umstände) seiner Entstehung hinaus, so dass es nicht rein auf die innerlichen und äußerlichen Bedingungen des Kunstschaffenden reduziert werden kann.

Außerhalb der o.g. Dichotomie jedoch hängt mir die These eher in der Luft. Schließlich ist der Autor überhaupt erst einmal die Bedingung der Möglichkeit dafür, dass ein Gegenstand zum Artefakt ("etwas künstlich Gemachtes", "Kunstwerk") wird und infolge überhaupt Bedeutung haben kann. Sinn ist immer an Sinn-Stiftung gebunden, und ohne den Kunstschaffenden fehlt das. Insofern würde ich eher sagen, dass Künstler und Werk zwar nicht getrennt, aber doch voneinander unterschieden betrachtet und beurteilt werden können und sollen - auch und gerade wenn und obwohl man ein Fan des jeweiligen Künstlers ist. 

Die Frage läuft dann letztlich darauf hinaus, wo man mit der Betrachtung einsteigt, ohne die jeweils andere Seite gänzlich unter den Tisch fallen zu lassen: Beim ästhetischen Urteil bezogen auf das Werk, oder beim ethischen Urteil bezogen auf den Künstler? 

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