Donnerstag, 18. April 2019

Maria 2.0: "Kirchliche Sexualmoral an der Lebenswirklichkeit der Menschen ausrichten"

"Die" Lebenswirklichkeit "der" Menschen gibt es so nicht, es gibt lediglich verschiedene Lebenswirklichkeiten von Menschen - denn die Lebenswirklichkeit eines Menschen hängt immer auch mit der geographischen Region, mit der kulturellen Tradition und mit der gesellschaftlichen Situation zusammen, in großen Teilen hängt sie gar von diesen Faktoren ab.

Darum ist eine Forderung wie sie hier vorliegt - nämlich die kirchliche Sexualmoral an "der" Lebenswirklichkeit "der" Menschen auszurichten - in sich nicht wirklich stimmig. Gefordert wird faktisch, die kirchliche Sittenlehre von geographischen, kulturellen, gesellschaftlichen - kurzum: zeitlichen - Faktoren abhängig zu machen. 

Denn gleichzeitig wird ja nicht gefordert, die Pluralität der Lebenswirklichkeiten in der Sexualmoral abzubilden: Das wäre insofern fatal, als es durchaus geographische, kulturelle und gesellschaftliche Konstellationen gibt, in denen bspw. sexuelle Gewalt als Lebenswirklichkeit akzeptiert wird (cf. die kommunale Gewalt in Südasien, aber auch die sog. rape culture in Nordamerika und Europa). Daran soll sich die kirchliche Sexualmoral schließlich nicht ausrichten, wie ich sinnvollerweise unterstelle. 

Im Gegenteil scheint es ganz so, als werde die Lebenswirklichkeit der Menschen hier in Mitteleuropa und Nordamerika gewissermaßen zum Maßstab erhoben, an dem sich die (universale) kirchliche Moral auszurichten habe. Dass diese Lebenswirklichkeit in Mitteleuropa und Nordamerika jedoch ihrerseits auch geographisch, kulturell und gesellschaftlich bedingt ist, scheint mir da nicht bedacht zu werden - vom deshalb letztlich eurozentrischen bzw. ethnozentrischen Charakter dieser Forderung ganz zu schweigen.

Es wird, zuletzt, in der kirchlichen Sexualmoral die Sexualität auch nicht "problematisiert und dämonisiert" - obgleich es natürlich innerhalb der Kirche bestimmte Strömungen gibt und gab, die einen Rigorismus propagieren, der am Ende in die Leibfeindlichkeit führt (die Montanisten, denen sich der Kirchenschriftsteller Tertullian gegen Ende seines Lebens zugewandt hatte, wären dafür ein prominentes Beispiel). Hier wäre es wohl wichtig, die Theologie des Leibes von Johannes Paul II. stärker ins Feld zu führen, auch und gerade mit Blick auf die Lebenswirklichkeit(en) vieler Frauen in Ländern der "Dritten Welt".

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