(a) Politik ist die Regelung der Angelegenheiten, welche die polis betreffen, also das Gemeinwesen, das Öffentliche.
(b) Wirtschaft hingegen, oikonomia, ist die Regelung der Angelegenheiten, welche das Haus betreffen, also das Private.
In beiden Sphären sollten sich idealerweise Verantwortung tragende Subjekte treffen, die sich auf einer Basis gegenseitiger Anerkennung als Subjekt begegnen und austauschen. Wo die eine Sphäre Einfluss auf die andere nimmt, da wird die Begegnung zwischen Subjekten eingeschränkt (wenn nicht ganz verhindert), da beide Sphären nach unterschiedlichen Regeln funktionieren. Mehr noch: Beide Sphären sind aufeinander angewiesen. Wo die Regelung der privaten Angelegenheiten defizitär verläuft, da nimmt auch die Regelung der öffentlichen Angelegenheiten Schaden. Und wo die Regelung der öffentlichen Angelegenheiten nicht mehr richtig funktioniert, da wird die Regelung der privaten Angelegenheiten beschädigt.
Also: Ökonomie ist die direkte Übersetzung zu Wirtschaft, bzw. eher umgekehrt: Wirtschaft ist der deutsche Begriff für die ursprünglich griechische Ökonomie. Ich verstehe nun beides aber nicht als deckungsgleich mit "Unternehmen", sondern ich verstehe Wirtschaft als Markt. Ich verstehe darunter auch nicht "Kapitalismus", da dies wiederum ein politischer Begriff ist, der die Herrschaft (den "Ismus") des Kapitals bezeichnet. "Ökonomie" kommt von oikos (das Haus) und spielt sich also im Haus, d.h. im Privaten ab. Die lateinische Entsprechung wäre res privata. Ganz grob vereinfach lässt sich dies als bilaterale zwischenmenschliche Beziehung benennen.
Politik hingegen kommt von polis und spielt sich in derselbigen ab, d.h. im Öffentlichen. Die lateinische Entsprechung wäre res publica. Ganz grob vereinfach lässt sich das wiederum als multilaterale zwischenmenschliche Beziehung bezeichnen.
Das Wort Subjekt ist im Übrigen nicht abwertend gemeint, sondern als Charakterisierung einer bestimmten Funktion: Ein Subjekt ist Selbstzweck, ein Subjekt trägt Verantwortung, ein Subjekt handelt und entscheidet sich frei von willkürlichem Zwang. Das Gegenteil zum Subjekt ist das Objekt, das keinen Selbstzweck darstellt und auf das willkürlicher Zwang ausgeübt wird. Wo sich Menschen als Subjekte begegnen, können sie sich vereinigen, da begegnen sie sich gegenseitig übrigens auch als Gleiche unter Gleichen. Wo aber ein Subjekt auf ein Objekt trifft, da gibt es keine Vereinigung, sondern eine Vereinnahmung.
Durch den heutzutage üblichen Politikbegriff als bindende Kollektiventscheidung werden die teilnehmenden Menschen in Subjekt(e) und Objekt(e) gespalten, da der politische Sieger den politisch Unterlegenen vereinnahmt und auf ihn also willkürlichen Zwang ausübt. Wenn eine solche Praxis im Gemeinwesen erfolgreich ist, dann gewinnt sie auch im Privaten an Attraktivität. So beschädigt also eine korrumpierte Politik auch die Ökonomie, was letztendlich zur Folge hat, dass jeder Einzelne nur noch sich als Subjekt, alle anderen aber als Objekte betrachtet, dadurch vereinzelt und als einzigen Weg der zwischenmenschlichen Beziehung die Vereinnahmung kennt. Das wiederum begünstigt eine immanent gewalttätige Gesellschaft, an der auch beispielsweise ein Rudi Dutschke (als pars pro toto für die Studentenbewegung) Kritik geübt hat, wenngleich sich sein Vokabular von meinem unterscheidet.
So scheint es ratsam, beide Sphären voneinander zu unterscheiden und zu trennen, um beide nicht zu beschädigen oder zu zerstören. Um eine funktionierende Wirtschaft zu schaffen, in der die Menschen prosperieren und damit für sich selbst Verantwortung tragen können, muss man den Markt (wieder-)herstellen. Die Parole kann also nur lauten "Pro Markt", keinesfalls "Pro Konzerne". Und hier liegt es an der politischen Sphäre, die geeigneten Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sich die Menschen innerhalb des Marktes, sprich: als Subjekte, begegnen und austauschen können.
Wenn man sich nicht mehr als Subjekt mit Subjekten im ökonomischen Raum treffen kann, werden andere Mittel gewählt. Da die Politik auch dahingehend korrumpiert ist, dass man sie nur mehr als bindende Kollektiventscheidung wahrnimmt und praktiziert, liegt wohl hier der Hund begraben: Anstatt verantwortungsvoll im Haus (oikos) dem Gegenüber zu begegnen, zwingt man ihm über das Gemeinwesen (in der polis) erstmal den eigenen Willen auf, bevor man verhandelt. Das ist die Krux.
Mit Hannah Arendt würde ich übrigens sagen: Krieg ist kein Akt der Politik. Krieg ist das bewusste verlassen des politischen Raumes, indem man den Weg der Gewalt einschlägt. Arendt trennt zwischen Macht und Gewalt, die zugleich in einem Gegensatz stehen. Macht entsteht durch freiwillige Koalition, also durch den freiwilligen Zusammenschluss mehrerer Menschen; im (neu)platonischen Sinne dann auch: Macht entsteht durch Vereinigung. Macht ist damit auch ein Selbstzweck. Gewalt hingegen basiert nicht auf dem freiwilligen Zusammenschluss, sondern auf einseitiger Anwendung oder Androhung physischen Drucks. Gewalt ist zugleich immer nur ein Mittel zum Zweck, sie dient immer nur einem "höheren" Ziel. Gewalt entsteht nicht durch Vereinigung, sondern durch Vereinzelung und ist auf die Vereinnahmung des Gegenübers gerichtet. Politik ist der Raum, in dem man das Gemeinsame behandelt. Im Krieg jedoch werden Gegensätze ausgefochten. Die Abschaffung des Marktes ist insofern, als Gewalttat, auch anti-politisch.
Das Wort Demokratie bezeichnet eine politische Organisationsform. Eine Demokratisierung der Wirtschaft wendet also eine politische Organisationsform auf die Ökonomie an, unterstellt diese also dem Diktat des Politischen. Anders ausgedrückt: Die res privata wird durch die res publica vereinnahmt. Wieder in anderen Worten: Die Grenze zwischen Staat (res publica) und Gesellschaft (res privata) wird zu Gunsten des Staates aufgehoben, die res publica absorbiert somit die res privata. Das kennzeichnet ein totalitäres System.
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