Freiheit ist ein ganz zentraler Begriff im Diskurs über "Anarchie". Gerade der russische Anarchismus hält mit seiner volja ein Verständnis hoch, das sich auch ganz bewusst von der "bürgerlichen" Freiheit (svoboda) unterscheidet und abgrenzt - und damit auch von der Freiheit als "Einsicht in die Notwendigkeit", wie sie vom orthodoxen Marxismus definiert wird: der "Freiheit des Untertanen" wird so die "Freiheit des Banditen" entgegengestellt. Prinzipiell erscheinen Anarchie und Religion vielleicht unvereinbar. Zumindest im protestantischen Westen. Wo der Landesherr als Notbischof das Kirchenregiment führt. Konkret wird diese Einschätzung allerdings gerade beim russischen Anarchismus und Sozialrevolutionismus problematisch. Im Gegensatz zur (zum) dezidiert antiklerikalen Sozialdemokratie (Kommunismus) war/ist dieser nämlich in der russisch-orthodoxen Volkskultur verankert. Nicht umsonst greift auch und gerade der russische Nihilismus ostkirchliche Denkstrukturen und -muster auf, schließlich stammt er aus der Kontroverse zwischen den "Slawophilen" und den "Westlern". Ganz zu schweigen davon, dass der anarchistisch-sozialrevolutionäre Terror im späten Zarenreich bewusst religiöse Motive aufgegriffen hat, um den Kampf gegen das Regime heilsgeschichtlich zu überhöhen: Der anarchistische Selbstmordattentäter trat auf als Büßer und Messias-Ersatz, und die durch und in und mit volja geeinte Gemeinschaft der Revolutionäre übernahm die Funktion der Heilsgemeinde.