Sonntag, 23. November 2014

Satchidananda

Die indische Tradition kennt satchidananda - "Sein" (sat), "Bewusstsein" (chit), "Glückseligkeit" (ananda). Im islamischen Denken ist dieser Gedanke als Einheit aus wujud (Sein), wijdan (Bewusstsein) und wajd (Glückseligkeit) bekannt. Gegor von Nyssa sprach von Gott als dem ewigen Akt, in dem sich das unendliche Sein als das unendliche Gute selbst erkennt und damit alles in sich selbst will und erhält.

Das sollte man vielleicht zur Klarstellung erwähnen, damit auch jeder begreift, wovon Gläubige sprechen, wenn sie "Gott" meinen. Wer hier mit dem Verweis auf Fabelwesen ankommt, der redet schlichtweg am Gegenstand vorbei.

Es geht hierbei nicht um eine finite (= endliche, begrenzte) Sache in der Welt unter vielen anderen finiten (= endlichen, begrenzten) Sachen in der Welt, sondern um die infinite (= unendliche, unbegrenzte) Quelle der finiten Dinge, um die Bedingung der Möglichkeit des Daseins, um den Ursprung, den Grund und das Ziel aller Wirklichkeit. Es geht nicht um eine bestimmte Instanz einer Klasse oder um ein bestimmtes Exemplar einer Gattung, sondern um die Bedingung der Möglichkeit, dass es so etwas wie Klassen oder Gattungen überhaupt geben kann. 

Vielleicht hilft diese apophatische ("un-nennbare") oder besser hyperphatische ("über-nennbare") Umschreibung des Johannes Eriugena:

  • Gott ist nichts Seiendes, wenn wir darunter die Art und Weise verstehen, wie ein Baum oder ein Streichholz oder ein Regenbogen ist; er ist nicht ein Objekt im klassifizierenden Inventar der vorhandenen Dinge. 
  • Gott ist jenseits des Seienden, wenn wir darunter die Gesamtheit der Objekte im Inventar der vorhandenen Dinge begreifen. 
  • Gott ist das Seiende selbst, wenn wir darunter die unerschöpfliche Quelle alles Seienden verstehen.

Gott ist das Seiende - Gott ist nichts Seiendes - Gott ist mehr als etwas Seiendes. Er ist in allem, das seiend ist - und er ist doch nichts von allem Seienden: Er transzendiert alle Dinge, ohne eines dieser Dinge zu sein. Analog hieße das: Er ist körperlich - er ist nicht körperlich - er ist mehr als körperlich.

Über diese Wirklichkeit spricht die Rede vom dreifaltigen Gott nun, wenn sie ihn als Beziehung aus Vater und Sohn im Heiligen Geist bekennt: Er ist eine Person - er ist nicht eine Person - er ist mehr als eine Person.

Fast schon paradoxerweise wird dadurch die höchstmögliche Un-nennbarkeit und begriffliche Ferne (er passt eben nicht in das Gattungs- und Klassenschema von Begriffen) zur größtmöglichen Nähe zum und im einzelnen Menschen.

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