Sonntag, 14. Dezember 2014

Vollkommenheit, Bewusstsein und Dreifaltigkeit

  • Wenn Gott Vollkommenheit ist, 
  • und wenn Gott Bewusstsein ist, 
  • dann folgt daraus das drei-eine Personsein Gottes logisch und vernünftig.

Die Vollkommenheit ergibt sich aus dem Argument aus der Kontingenz bzw. noch deutlicher aus dessen kinesiologischer Formulierung (unbewegter Beweger): Als reine Wirklichkeit ist Gott das vollständige Wirklich-Sein jeglicher Möglichkeit. Das heißt: Sein Dasein ist Vollkommenheit, Vollendung, Abgeschlossenheit, "Zu-Ende-Gebrachtheit".

Das Bewusstsein ergibt sich (neben dem grammatischen Argument Robert Spaemanns) aus der (onto-)logischen Abhängigkeit des Kontingenten vom Nicht-Kontingenten und der damit zusammenhängenden Abhängigkeit des Unvollkommenen vom Vollkommenen: Unvollkommenheit kann nicht in der Vollkommenheit vorhanden sein, sondern sie kann überhaupt nur dann, dadurch und deswegen existieren, dass und wenn die Vollkommenheit ihr Raum (und Zeit) gibt. Dazu ist es logisch notwendig, dass die Vollkommenheit sich selbst zurücknimmt. Eben dieses "Sich-Selbst-Zurücknehmen" ist der wesentliche Kern von Bewusstsein. Denn: Bewusstsein bedeutet Erkenntnis darüber, dass man ist (existenzielle Erkenntnis), sowie darüber, was man nicht ist (essentielle Erkenntnis).

Um diesen Kern zu beschreiben, gibt es in der lateinischen und griechischen Tradition der Kirche zwei Bezeichnungen, die bedingt durch ihre sprachliche Herkunft zwar unterschiedliche Akzente setzen, in der Sache jedoch dasselbe ausdrücken und sich durch diese Akzentsetzung auf wunderbare Weise gegenseitig ergänzen und befruchten.

Das o.g. Bewusstsein wird griechisch mit dem Wort "Hypostase" - hypo-stasis zum Ausdruck gebracht. Das heißt wortwörtlich "(das) Darunter-Stehen". Damit man das sagen kann, muss vorausgesetzt werden:

  • Etwas, das unten ist.
  • Etwas, das oben ist. 
  • Der Akt des Stehens selbst.

"Hypostase" (in ihrer einfachsten Form) setzt also zwei verschieden verortete Dinge sowie deren gemeinsames Stehen voraus.

Die lateinische Entsprechung zur hypo-stasis ist nun nicht, wie man wörtlich zu übersetzen geneigt wäre, sub-stantia; dieses Wort ist philosophiegeschichtlich bereits eine (und mit essentia gibt es mindestens eine zweite) Entsprechung zum griechischen ousia (Wesen, Essenz). Der Kirchenschriftsteller Tertullian (ca. 157 - ca. 245 n. Chr.) prägte hierfür den Begriff "Person" - persona, das von per und sonare stammend "(das) Hindurch-Tönen" bedeutet. Um von Hindurch-Tönen sprechen zu können, muss vorausgesetzt werden:

  • Etwas, das tönt. 
  • Etwas, durch das (hindurch-)getönt wird. 
  • Der Akt des Tönens selbst.

"Person" setzt also zwei sich unterschiedlich verhaltende Dinge sowie deren einmütiges Tönen voraus.

"Hypostase" drückt dabei vom reinen Wortsinn her eher die Verschiedenartigkeit der vorhandenen Elemente aus: Durch den Blick auf das Stehen wird eher die Unterschiedlichkeit der Stehenden betont. "Person" hingegen drückt vom reinen Wortsinn her eher die Gemeinsamkeit der vorhandenen Elemente aus: Durch den Blick auf das Tönen wird die Korrespondenz - und damit Einheit - zwischen dem, was tönt, und dem, durch das getönt wird, betont.

Aus der Vollkommenheit und dem Bewusstsein als Hypostase bzw. Person ergibt sich damit logisch und vernünftig die Dreifaltigkeit (gr. trias, lat. trinitas) Gottes: Wenn Gott Vollkommenheit ist, dann sind das folglich auch die Elemente des Hypostase- bzw. Person-Seins. So sind die drei Elemente des Hypostase- bzw. Person-Seins ihrerseits selbst Hypostasen bzw. Personen, da sie selbst in Vollkommenheit durch das Gott-Sein hindurch-tönen bzw. unter (im Deutschen würde man wohl eher sagen: hinter) dem Gott-Sein stehen.

Caveat:

Sabellius postulierte eine Hypostase in Gott, die aus drei Prosopa bestehe. Das griechische prosopon ist die Schauspielmaske; das wird lateinisch auch als persona übersetzt, wobei persona gleichzeitig noch einen Begriff des römischen Rechts darstellt. Diese Dimenson fehlt dem griechschen prosopon. Der Knackpunkt besteht nun in der Unterscheidung zwischen dem sabellianischen "Gott ist eine Hypostase" ("Gott ist eine Person"), und dem vorliegenden Argument, das besagt "Gott ist Hypostase" ("Gott ist Person"). Wo der Sabellianismus das Hypostase- bzw. Person-Sein grundlegend bestimmt auffasst und wiedergibt, ist dieser Sachverhalt im vorliegenden Argument zunächst unbestimmt. Die Bestimmtheit erfährt das Hypostase- bzw. Person-Sein im vorliegenden Argument erst beim Blick ins Innere, beim Nachdenken über die notwendigen Voraussetzungen bzw. das Wesen des Person-Seins.

So folgt dann auch der Unterschied zwischen der sabellianischen Prosopon-Triade und der Dreifaltigkeit/Dreieinigkeit gemäß dem vorliegenden Argument.

Das sabellianische Prosopon ist nur ein Aspekt dieser einen Hypostase, eine Maske, die diese eine Person aufsetzt, um eine bestimmte Rolle einzunehmen. Konsequent weitergedacht lassen sich dadurch die drei Prosopa voneinander isolieren, da die Rollen nicht wesentlich aufeinander bezogen sind, sondern ihr wesentlicher Bezug sich nur auf die dahinter stehende Hypostase/Person bzw. den von ihr bestimmten Zweck erstreckt; ein Aspekt ist eben nur ein Aspekt und nicht notwendigerweise auf andere Aspekte bezogen. Die Beziehung zwischen Prosopon "Vater", Prosopon "Sohn" und Prosopon "Geist" ist logisch nicht notwendig - damit ist Gott logisch nicht mehr notwendig Einheit -, sondern ausschließlich Glaubenssache.

In letzter Konsequenz ist der Sabellianismus damit ein Fideismus, da er die Unbegreiflichkeit Gottes diesseits des Sagbaren verortet und Vernunft und Glauben in einen Gegensatz stellt. Warum macht er das bzw. muss er das machen? Weil durch das Fehlen von logischer Notwendigkeit an dieser Stelle in Gott Kontingenz behauptet wird - "drei Prosopa einer Hypostase" ist akzidenzielle / zu-fällige, nicht substanzielle / wesentliche Einheit. Gottes Vollkommenheit steht damit logisch zur Disposition, wodurch der Glaube gezwungen ist, dies zu übertünchen.

Im vorliegenden Argument hingegen gibt es keine Aspekte, sondern die Dynamik innerhalb des Personseins ist wesentlich Dreieinigkeit. Die drei Elemente des Person-Seins sind logisch notwendig aufeinander bezogen - damit ist Gott logisch notwendig Ein-heit -, und durch die Vollkommenheit Gottes besitzen sie zugleich selbst hypostatische bzw. personale Qualität - womit Gott zugleich logisch notwendig Drei-heit ist. Dieses Miteinander von Einheit und Dreiheit liegt so nicht diesseits, sondern jenseits des Sagbaren, und der Glaube steht damit nicht im Gegensatz zur Vernunft, sondern er geht über sie hinaus und führt sie zur Vollendung. Dies wortwörtlich, denn gemäß Augustinus bspw. besteht diese Dynamik auch in Analogie innerhalb des menschlichen Person-Seins, und damit als Abbild des göttlichen Person-Seins: mens (Geist/Verstand; der Vater) - notitia sui (Selbst-Kenntnis; der Sohn) - amor sui (Selbst-Liebe; der Heilige Geist). Diese drei Dinge sind in der menschlichen Person auch nur in Bezug zueinander vorhanden, und nicht voneinander zu isolieren. Da das menschliche Person-Sein in sich jedoch keine Vollkommenheit ist, sind diese drei Elemente in sich ebenfalls nicht vollkommen bzw. vollendet, sondern müssen erst dorthin geführt werden.

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