Wäre Schuld etwas, das ausschließlich im schuldigen Subjekt geschieht, dann wäre das ganze Prinzip der Strafverfolgung absurd. Für einen Mord - um mal einen Extremfall als deutliches Beispiel heranzuziehen -kann man gerade deswegen belangt werden, weil eben unterstellt wird, dass Schuld in der Beziehung eines Subjekts zu seiner Mitwelt liegt (und zwar als Abweichung des Seins vom Sollen), und weil angenommen wird, dass ein Dritter sich in diese schuldhafte Beziehung stellen und Ausgleich schaffen kann (die gerichtliche Autorität). Niemand wird sich erfolgreich vor Gericht damit verteidigen können, dass er den Mord alleine mit sich selbst auszumachen habe, und dass der Staat oder die Angehörigen überhaupt kein Recht hätten, die Rolle des imaginierten Opfers oder die imaginierte Rolle des Opfers einzunehmen, da das Opfer ja schließlich tot und somit nicht mehr existent sei.
Gleichzeitig liegt die "Erlösung" von dieser Schuld nicht darin, dass irgendwelche Tatfolgen ungeschehen gemacht würden - der Ermordete z.B. wird durch eine Verurteilung des Täters nicht wieder lebendig -, sondern dass den Konsequenzen einer schuldhaften Tat nachgerade Geltung verschafft wird. Zum Schuldgefüge gehört immer auch ein guter Teil Vertuschung, d.h. so tun als ob die Tat nicht passiert wäre seitens des Täters, um die Konsequenzen zu vermeiden. "Erlösung" von solcher Schuld besteht nicht darin, die Vertuschung zu Ende zu führen, sondern sie bedeutet im Gegenteil, das Schuldgefüge aufzudecken.[*]
[*] lat. detegere - aufdecken: daher auch unser Wort "Detektiv"; gr. apokalypto - aufdecken: daher unser Wort von der "Apokalypse", was "Enthüllung" oder "Aufdeckung" heißt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen