Dienstag, 15. November 2005

Ein kurzes Profil des Neokonservatismus

Neokonservative sind im Kern links, da sie für all das eintreten, für das einmal die klassische Linke eingetreten ist: 

Freiheit, Demokratie, Menschenrechte.

Da sich die "echte", oder: real existierende Linke schon vor einiger Zeit in eine "anti-rassistische" und eine "anti-imperialistische" Linke geteilt hat und letztere den Ton angibt, hat sich die Linke allgemein von diesen Zielen entfernt. Wenn ehemals linke Ideale nun plötzlich als "rechtsaußen" bezeichnet werden (was übrigens eindeutig in einem negativen Sinne gemeint ist), dann wurde entweder unsauber recherchiert - oder man hält selbst nicht viel von solchen Idealen.

"Echte" Christdemokraten sind mittig und damit eher neutral anstatt "richtig" konservativ oder "richtig" sozialistisch oder "richtig" liberal. Daher sind die Neokonservativen keine Untergruppe der Christdemokraten. Zusätzlich kommt der Neokonservatismus auch gänzlich ohne religiöse Antriebsmotive aus und widerspricht sich in einigen Punkten gar mit bestimmten Flügeln der Christdemokratie, beispielsweise mit dem sozial(istisch)en Flügel. 

Wesentliches Merkmal des Neokonservatismus ist die zentrale Stellung des Menschen: Der Neokonservatismus kennt keine Fixierung auf den Staat - daher können Etatisten wie die "anti-imperialistische" Linke oder die Christdemokraten nicht vollständig neokonservativ sein.

Der Neokonservatismus ist ...

  • ... gesellschaftspolitisch liberal-konservativ: Der Bindestrich ist Absicht, da es Neokonservative mit klassisch-konservativen Ansichten gibt, ebenso wie Neokonservative mit explizit liberal(er)en Einstellungen.
  • ... wirtschaftspolitisch liberal: Das heißt, Neokonservative sind für Marktwirtschaft und für Wettbewerb.
  • ... außenpolitisch interventionistisch: Das heißt, Neokonservative werten die Menschenrechte höher als das Völkerrecht.
Der klassische Konservatismus ("Paläokonservatismus") vertritt im Gegensatz dazu eine rein traditionell-konservative Gesellschaftspolitik, eine protektionistische Wirtschaftspolitik, und einen außenpolitischen wie strukturellen Isolationismus.

Schnittmengen mit der "anti-deutschen" Linken bestehen in der Haltung gegenüber den USA und Israel sowie auch teilweise in der Haltung zur deutschen Vergangenheit. Neokonservative gehen zwar nicht so weit, den "Bomber-Harris" zu verehren, aber es gibt deutliche deutsch-kritische Ansichten; auch die staats-kritische Haltung ist bei beiden in gewissem Sinne verwandt.

"Neokonservativ" ist ursprünglich eine Fremdbezeichnung, in diesem Fall stammt sie von der Linken: "Neokonservativ" ist nämlich ein sehr schönes Kampfwort, weil es "neo" enthält wie in "Neonazi", sowie "konservativ" wie in "konservativ", was im Volksmund auf Rückständigkeit und alte Mode bezogen wird. "Neokonservative" sind in diesem Sinne volksetymologisch eben rückständige Neonazis.

Im Gegensatz zu anderen Ideologien ist der Neokonservatismus jedoch keine in sich abgeschlossene Ideologie, sondern eher offen, das heißt: mehr ein ideeller Steinbruch als eine echte Ideologie.

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