Donnerstag, 11. Mai 2006

An den Herrn Reichsbürger

Die Bundesrepublik Deutschland ist das Deutsche Reich. Zumindest der Teil, der vom Bismarck-Reich des Jahres 1871 übrig blieb (daher war die Aufnahme der SBZ in die Bundesrepublik tatsächlich eine Wiedervereinigung). Ein Dokument mit der Überschrift "Friedensvertrag" ist unnötig, weil mit der Westbindung (EU, NATO, Verträge über die polnische Westgrenze) ein Vertragssystem geschaffen wurde, das den deutschen Staat besser in die Gemeinschaft der Staaten integriert als dies ein klassischer Friedensvertrag je könnte. 

Wer soll denn überhaupt einen Friedensvertrag aushandeln? Die Sowjetunion, die seit 15 Jahren nicht mehr existent ist? Nach der Logik (BRD ist nicht Nachfolger des Reiches) wäre nämlich das heutige Russland auch nicht Nachfolger der UdSSR. Russland hat sich selbst zum Nachfolger der UdSSR erklärt, so wie sich auch die Bundesrepublik zum Rechtsnachfolger des Staates Deutsches Reich erklärt hat. Eines davon soll unzulässig sein, ein anderes aber nicht. Beide Rechtsnachfolger operieren jedoch nur auf einem Teil des Territoriums, dessen ehemaligen Staat sie vertreten (haben; im Falle Deutschlands sind BRD und Reich seit 1990 territorial deckungsgleich). Irgendetwas stimmt da nicht. Von daher könnte ein Friedensvertrag überhaupt nicht mehr ausgehandelt werden.

Wer mit dem Völkerrecht argumentiert, muss freilich erklären, was das Völkerrecht ist. Wo kann man es einklagen? Wer entscheidet?

Es stimmt, dass die Bundesrepublik als Provisorium geplant war. Jedoch nicht von den Alliierten oder einem ominösen Völkerrecht, sondern von den Vätern des Grundgesetzes selbst. Die westlichen Siegermächte wollten ja im Gegenteil, dass ein eigenständiger westdeutscher Teilstaat gegründet wird. Die Herren und Damen im Parlamentarischen Rat hielten jedoch an der Einheit der deutschen Nation fest und wollten beide deutschen Staaten wiedervereinigen. 

Wie es aber so ist im Leben, hält nichts so gut wie ein Provisorium. Das ist der Grund, warum die Bundesrepublik sich so gut gehalten hat, während die DDR/SBZ, die ab den 60er/70er Jahren eine "Zwei Nationen"-Politik/Argumentation verfolgte, unterging. Das Grundgesetz regelte (damals in Artikel 23) den Beitritt neuer Länder, 1990 wurde nach dem Beitritt der fünf neuen Länder durch die Änderung der Präambel festgestellt, dass es überall in Deutschland gilt. Die Einheit Deutschlands (i.e. des Deutschen Reiches) ist vollständig. Alles östlich der Oder/Neiße-Linie hat Deutschland im Krieg verloren. Der Artikel 146 steht so, wenngleich ungeschrieben, in jeder anderen Verfassung auch (schönes Paradoxon, ich weiß). Denn es ist immer so, dass eine neue Verfassung, die in freier Entscheidung der Staatsbürger angenommen wird, die alte ablöst. Die ursprüngliche Absicht von Art. 146 - dass nämlich Deutschland durch eine neue Verfassung wiedervereinigt wird - hat aufgrund der neuen Präambel und aufgrund des gewählten Wiedervereinigungsmodus ihre Bedeutung verloren. 

Wir halten also fest: Die Bundesrepublik ist das Deutsche Reich. Seit dem Beitritt der SBZ ist sie mit ihm sogar identisch in Bezug auf das Staatsgebiet (schließlich gilt dort auch das Grundgesetz). In den Ostverträgen hat Willi Brandt als Kanzler der Bundesrepublik Deutschland die polnische Westgrenze an der Oder-Neiße-Linie festgemacht, i.e. hat das Deutsche Reich in den 1970ern bereits auf die Ostgebiete verzichtet.

Und was genau soll an fast 60 Jahren stabilen staatlichen Lebens nicht solide sein? Länger hat noch nie eine republikanische Demokratie auf deutschem Boden existiert. Aber klar, alle Probleme liegen am Institutionengefüge, an der polity, anstatt dass man sie in den verfolgten Zielen, der policy, sucht. Das ist seichtes Gewäsch von Leuten, die zu faul sind, tatsächlich über die Probleme nachzudenken, die sie hier "lösen" wollen. 

Würde denn ein Deutsches Reich mit der Verfassung von 1919 die aktuellen Probleme besser lösen? Ein Deutsches Reich, das nicht einmal seinen Bürgern Grundrechte garantieren kann? Ich glaube nicht.

Die Bundesrepublik ist seit 1990 ein souveräner Staat. Dass in Deutschland nicht vom Volk direkt über die Verfassung abgestimmt wurde, hat andere Gründe - nichtsdestotrotz ist das Grundgesetz sowohl de jure wie auch de facto die deutsche Verfassung. Die Verfassung des Sacrum Imperium nannte man schließlich auch Grundgesetze des Heiligen Römischen Reiches.

1 Kommentar:

  1. "Die ursprüngliche Absicht von Art. 20 verliert aufgrund seiner Streichung und aufgrund neuer Präambel ihre Bedeutung."
    Wo ist der Haken?

    AntwortenLöschen