Freitag, 16. Juni 2006

Batalla en el cielo

 ... oder wie ich lernte, die Sneak-Preview zu fürchten

Die erste Szene ist noch harmlos. Man sieht das ausdruckslose Gesicht eines Mannes aus Mittel- oder Südamerika. Er ist dick, hat einen ungepflegten Vollbart und trägt eine überdimensionierte Brille, wie man sie hierzulande in den 80er Jahren getragen hat. Ein erster Gedanke schießt mir durch den Kopf: Es muss wohl ein Film sein, der sich um illegaliens an der amerikanisch-mexikanischen Grenze dreht. Untermauert wird diese Vermutung durch den Hintergrund, den Raum, in dem diese Person steht, der an ein anonym gehaltenes Verhörzimmer erinnert. Dann fährt die Kamera nach unten und zeigt, dass der Mann kein Hemd trägt. "Na klasse", denke ich mir. "Wieder mal was über die herzlosen Amerikaner, die Mexikaner foltern und dazu zwingen, ihre Bierbäuche zu zeigen." Das ist der letzte klare Gedanke, den ich fassen kann, ehe der Film mich auf eine irrwitzige Reise hin zu den Grenzen des klaren Menschenverstandes prügelt.

Tatsächlich stellt die Szene den Akt der Fellatio dar: Ein junges Mädchen erteilt dem dicken Mann einen Blowjob. Das Mädchen weint. Es erfolgt ein Schnitt und Soldaten hissen die mexikanische Flagge (ein kurzes Gefühl der Sehnsucht nach einem Film über die Brutalität der amerikanischen Grenzschützer überkommt mich). Ein weiterer Schnitt und man sieht den dicken Mann vom Anfang neben einer ebenso dicken (wenn nicht noch dickeren Frau). Sie reden. Über ein totes Kind.

Der geneigte Leser und vor allem Zuschauer mag nun eine erste Frage nach dem Sinn, dem tieferen Hintergrund des Filmes stellen. Nach quälend langen anderthalb Stunden hatte ich jedoch die Gewissheit: Es gibt keinen.

Die Geschichte des Filmes ist schnell erzählt: Das dicke Ehepaar hat ein Kind entführt. Dieses Kind ist umgekommen. Der dicke Mann, er heißt Marcos, vertraut sich einer alten Bekannten, der jugendlich wirkenden Ana, an. Ana wiederum arbeitet in einem Bordell, das im Film "die Boutique" heißt. Marcos will mit Ana schlafen. Sie rät ihm, sich der Polizei zu stellen. Nachdem beide den Akt miteinander vollzogen haben, will er sich der Polizei stellen. Zuvor jedoch tötet er sie. Am Ende stirbt er, durch die Strapazen der Wallfahrt, an der er teilnimmt, schwer gezeichnet, in der Kirche.

Der Film sticht vor allem wegen seiner expliziten Darstellung des menschlichen Fortpflanzungsaktes und aller damit verbundenen Tätigkeiten heraus. Man sieht, wie der dicke Marcos mit seiner schwergewichtigen Ehefrau den ehelichen Pflichten nachkommt. Dabei nicht zu übersehen: Marcos und seine Frau haben dieselbe Körbchengröße. Man sieht, wie Marcos mit Ana den Akt vollzieht. Man sieht, wie beide entblößt nebeneinander liegen. Man sieht Anas Weiblichkeit in Nahaufnahme. Man sieht Marcos' Männlichkeit in Nahaufnahme. Und schlussendlich sieht man auch, wie sich Marcos bei der Fernsehübertragung der mexikanischen Fussballmeisterschaft selbst befriedigt, während die Familie vor dem Haus im Auto wartet.

Würde man mich nach dem besonderen Reiz des Filmes fragen, so antwortete ich, es sei der Brechreiz, der mich nicht nur einmal überkam. Eine solch explizite und pornographische Darstellung des Sexuellen möchte niemand sehen, der fünf Euro für eine Sneak-Preview-Vorstellung bezahlt und dazu noch ein Glas Sekt und eine Brezel verzehrt hat. Wer sich so etwas anschauen will, der findet genügend Material in der kinderfreien Zone der Videothek seines Vertrauens.

Hinzu kommen noch der schlechte Schnitt und die extrem eintönige, fast schon langweilige Kameraführung. Ausdruckslose Gesichter werden viel zu lange festgehalten, die Handlung stockt, als Zuschauer fragt man sich: "Und weiter?" Die roh und unbehandelt wirkende Bildqualität mag zwar ein filmisches Stilmittel sein. Dann sollte sie aber auch so eingesetzt werden und nicht wie ein großes Defizit im Produktionsbudget wirken (man muss jedoch zugeben: in Verbindung mit dem Drehbuch passt es irgendwie).

Dialoge sind im Film recht sparsam gesät, die hölzerne und gestellte, durch und durch ausdruckslose Gestik, Mimik und Bewegung der Schauspieler überwiegt und lässt den Film so zu einer Mischung aus Unprofessionalität, Pornographie und scheinbar zusammenhanglosen Szenen werden.

Hätte ich davor Drogen genommen, dann hätte ich es danach sein lassen. Aus Angst, jemals einen so schlechten Film zu produzieren.

Auf meiner Simpson-Skala von 1 bis 10, wobei 1 das Allerletzte ist und 5 ein guter Durchschnitt, erhält der Film eine glatte 0,5. Das aber auch nur, weil er es gekonnt verstanden hat, seinen Titel in der Anfangssequenz so zu positionieren, dass der aufmerksame Zuschauer Mühe hatte, ihn von den Produzenten-Angaben zu trennen. Ratlosigkeit über den Filmtitel kennzeichnete dann auch die allgemeine Reaktion der hartgesottenen Zuschauer, die - meine beiden weiblichen Begleiter und mich eingeschlossen - den Film bis zum Ende durchstanden und danach die Fragebögen zur Evaluation der Vorstellung ausfüllten. 

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