Samstag, 18. Februar 2012

Zur Wahl des Bundespräsidenten

Die "Katze" - ich nehme an, damit ist das aus der Pfalz kommende Gesicht der Poco Domäne gemeint - wäre wohl noch zu jung, schließlich muss man das 40. Lebensjahr vollendet haben, um in das Schloss Bellevue einziehen zu können. Aber eine Frau? Sehr gerne. Ich wäre für Margot Käßmann. Sie hat ihren Skandal schon hinter sich, inklusive Nimbus fürs sofortige Zurücktreten mit dem Versprechen der Kooperation gegenüber den Ermittlungsbehörden. Moralisch könnte sie sogar - ganz abseits der Parteienküngelei - Konsens stiften von Lammert bis zu Thierse und Göring-Eckardt, und mit ihrer Soziallehre bekommt sie sogar Gysi mitsamt Konsorten ins Boot. Als "Lutherbotschafterin" für das Jubiläumsjahr 2017 kann sie gleichsam die national gesinnten Elemente bändigen und zähmen und deren Wirken von destruktivem Chauvinismus in den konstruktiven Geist des seit der Zeit Hermann des Cheruskers währenden und von Luther leidenschaftlich fortgeführten Kampfes gegen römische Fremdbestimmung überführen. Einzig die FDP wird sie kaum erreichen, aber die fällt ab 2013 eh nicht mehr ins Gewicht. Eine geschiedene Ex-Bischöfin, die gegen den Krieg ist und die Anti-Baby-Pille als göttliches Geschenk betrachtet, wäre genau die richtige Besetzung an der Spitze der bunten Republik. Und das meine ich ganz ohne Ironie: Mit Käßmann als neuem Bundespräsidenten wäre die Wahl gut und ehrlich getroffen. Einziger Nachteil: Sie kommt halt auch aus Hannover. Christian Wulff war bei "konservativen Katholiken" schon vor seiner Zeit als Bundespräsident ein wenig angeschlagen was seine moralische Integrität angeht (die Trennung von seiner Ehefrau erfolgte 2006, die Scheidung dann 2008, wie auch seine Wiederheirat). "Konservative Katholiken" hadern spätestens seit Kohl mit der CDU, wenn nicht wegen der ausgebliebenen "geistig-moralischen Wende" Anfang der 1980er, dann wegen des "Abtreibungs-Kompromisses" 1995. Angela Merkel hat gezeigt, dass die Union auch ohne "konservative Katholiken" fahren kann. Zwar mit stetig sinkenden (Bundestags-)Wahlergebnissen (der "kantige" Edmund Stoiber hat 2002 als einziger Unions-Kanzlerkandidat seit Kohl 1983 einen - relativen - Stimmenzuwachs für sich verbuchen können), aber immerhin.
"Die Katholiken" (in der CDU) würden, meiner Einschätzung nach, zu Käßmann wenig mehr sagen als zum "protestantisch veranlagten Katholiken" Norbert Lammert. Im Vergleich der beiden würde ich dennoch Käßmann den Vorzug geben, da sie eine breitere Bindungskraft besitzt und nicht ganz so farblos erscheint wie der Bundestagspräsident. Zudem hat sie, wie bereits vermerkt, ihren Skandal ja schon hinter sich und wird nach wie vor als moralische Instanz betrachtet. Zur Klarstellung: Es geht nicht um einen Kandidaten "wie Käßmann oder Huber", sondern ganz konkret um Margot Käßmann. Sie hat sich nämlich vom Vorwurf der Doppelmoral reingewaschen, weil sie ganz geschickt damit umgegangen ist. Sie wird es aber wohl leider nicht machen, so der unwahrscheinliche Fall eintreten sollte, dass sie nominiert wird.

Thilo Sarrazin wäre natürlich auch so ein Kandidat, der allerdings nur von einer Minderheit wirklich getragen würde. Und diese Minderheit wäre eben gerade nicht (!) "konservativ". Gerade Konservative sind es nämlich, die Sarrazin inhaltlich ablehnen, weil seine totalitären Träume von der staatlichen Erziehung der Kinder zu nützlichen Staatsbürgern so schon bei jeder linken Partei im Programm stehen. Leider wird dieser Aspekt fast immer übergangen. Sarrazin würde als Bundespräsident natürlich auch nicht sagen "der Islam gehört zu Deutschland" (was natürlich stimmt, wenn man nur mal an die "Türkenkriege" denkt, auch wenn es hauptsächlich Österreich war, das hier handelte), dazu ist er ganz anders programmatisch aufgestellt.

Sollte Käßmann aber nicht vermittelbar sein (von Sarrazin ganz zu schweigen), dann wäre ich schwer für die Lichtgestalt, den Kaiser, den Franz, den Weltmeister als Spieler und als Trainer. Der hatte ja schon 2005 direkt nach der Bundestagswahl, als es noch nicht klar war, ob und wie und überhaupt in Sachen große Koalition, zu Protokoll gegeben, dass er es macht, wenn sich keiner einigen kann. Da er nun schon etwas älter ist als damals, wäre der Ehrenposten des Bundespräsidenten viel besser für ihn, da mit weniger Stress verbunden.

Wenn Merkel tatsächlich etwas in Richtung Schwarz-Grün im Schilde führen sollte, dann wird Claudia Roth - meiner Einschätzung nach - nicht als Kandidatin für das Bundespräsidentenamt verheizt. Sie würde dann eher gebraucht im Kabinett, um die Grünen zu binden. Interessant wäre es jedoch allemal, dann hätte Merkel nämlich als Kanzlerin mit jedem koaliert (abgesehen von PDSEDLinke). 

Joachim Gauck als Kandidat geht indes völlig in Ordnung. Wobei es stimmt: Er wäre niemals der rot-grüne Kandidat geworden, wenn Rot-Grün eine Mehrheit in der Bundesversammlung hätte; und diese Verlogenheit ist eigentlich schade.

Was den scheidenden Bundespräsidenten angeht: Es gibt einen Unterschied zwischen Spott und Gehässigkeit. Christian Wulff erhält seinen Abschied, so wie es ihm nun wohl oder übel als ehemaligem Bundespräsidenten zusteht, und Joachim Gauck wird am 18. März gewählt. Dass der Zapfenstreich für Wulff mit Vuvuzela-Lärm gestört werden soll, zeigt, dass die "Protestierenden" offensichtlich nicht zwischen dem Respekt gegenüber einem (Ex-)Amt und dem Respekt gegenüber der das Amt bekleidenden Person unterscheiden können. Entweder bekommt ein ehemaliger Bundespräsident den Großen Zapfenstreich - dann bekommt ihn auch Wulff. Und zwar in der Form, die auch jedem anderen Bundespräsidenten a.D. zustünde (damit meine ich sowohl das Fernbleiben von Lärm und Störgeräuschen als auch ein viertes Lied). Oder aber ein ehemaliger Bundespräsident bekommt keinen Großen Zapfenstreich. Es wird ja wohl auch niemandem dem Herrn Gauck, so er denn zum Bundespräsidenten gewählt wird, den Anspruch auf Unterzeichnung eines Gesetzes absprechen (Amt), nur weil er in wilder Ehe lebt (Person) - oder doch? Nein. Dass es ganz offenbar ein Bewusstsein dafür gibt, zwischen Amt und Person zu trennen, zeigen die Reaktionen auf Gaucks Lebenssituation. Warum nun aber diese Differenzierung nicht bei Wulff greifen soll, ist mir unbegreiflich. Natürlich hätte Wulff auf den Großen Zapfenstreich verzichten können - und ich hätte es auch begrüßt, wenn er hier zurückgesteckt hätte. Fakt ist aber: Er hat es nicht. Und auch wenn ein Bundespräsident (a.D.) charakterliche Schwächen besitzt und moralisch verkommen ist: So wie zu Amtszeiten seine Unterschrift trotz aller Verkommenheit einen Gesetzesbeschluss in ein Gesetz überführt hat, so gilt auch nach dem Ende der Amtszeit sein Anspruch auf den Großen Zapfenstreich. Die Alternative bestünde m.E. in einem (modernen) Donatismus, der die Rechtssicherheit ganz allgemein und eklatant unterminiert.

Zur Klarstellung: Ginge es um eine Wullf-Abschiedsrede o.ä., sähe die Sache in meinen Augen anders aus. Der Zapfenstreich ist aber keine Veranstaltung von dem scheidenden Bundespräsidenten Wulff, sondern für den scheidenden Bundespräsidenten Wulff. Das macht m.E. den Unterschied. Die Vuvuzelas stören nicht Wulff, sondern den Großen Zapfenstreich. Ob das nun "ganz anders gemeint" ist oder nicht, tut dabei nichts zur Sache. Und nur weil Wulff seine eigenen moralischen Maßstäbe nicht erfüllen kann, legitimiert das nichts, denn: Wer einen Politiker dafür kritisiert, dass er Einrichtungen des Staates gegenüber respektlos handelt, der schmälert seine Glaubwürdigkeit, wenn auch er Einrichtungen des Staates ohne Respekt begegnet. Soll heißen: Korruption (im Falle eines Politikers) ist der Missbrauch einer Position im Staat. Dieser rührt daher, dass die korrupte Person keinen Respekt (von lat. respectus - Rücksicht) gegenüber dem Staat an den Tag legt. Kritik an Korruption ist somit immer (auch) Kritik an fehlendem Respekt gegenüber dem Staat. Der Zapfenstreich ist eine Einrichtung des Staates für scheidende Bundespräsidenten, er gehört also zur Ordnung des Staates, wenn man das in diesen Kategorien ausdrücken will. Dass Wulff die Ordnung des Staates (möglicherweise; schließlich ist er ja noch nicht gerichtlich verurteilt, daher dieses Feigenblatt) gestört hat, ist kein Freifahrtschein dafür, im Gegenzug ebenfalls die Ordnung zu stören. Selbiges gilt auch für den Fall, dass Christian Wulff die Ordnung dafür missbraucht haben sollte, sich selbst in irgendeiner Weise darzustellen oder Vorteile zu verschaffen. Durch das Demonstrations- und Versammlungsrecht mag es nun gedeckt sein, den Zapfenstreich (also diese Ordnung) durch Lärm zu stören. Ich anerkenne dieses Recht auch für die Leute, die da Lärm machen und empfände es als Unrecht, würde da eine polizeiliche Räumung erfolgen. Doch nur weil das Tröten durch das Demonstrations- und Versammlungsrecht gedeckt ist, heißt das nicht, dass ich es automatisch a) gut finden und die Tröter b) für glaubwürdig in ihrem Protest halten muss. Im Gegenteil: Es stört schließlich nicht die Person, gegen die protestiert werden soll, sondern es stört die Zeremonie; damit richtet es sich zuerst gegen die Personen, die jene Zeremonie durchführen. Als Form des Protestes gegen Christian Wulff ist das Getröte in meinen Augen also ungeeignet, da vollkommen am Ziel vorbeigetrötet.

Und auch wenn es schwer fällt: Alleine schon aus Respekt vor den Personen, die da in Uniform ihren Dienst verrichten und strammstehen und musizieren und wasnichtalles müssen, finde ich das Vuvuzela-Getröte einfach nur daneben. Ich gehe nämlich, offenbar entgegen der allgemeinen Ansicht, davon aus, dass die Soldaten trotz aller persönlicher Animositäten ihre Pflicht gewissenhaft und mit dem dafür notwendigen Ernst ausüben (wollen). Auch wenn der Große Zapfenstreich für eine Person veranstaltet wird, die man nicht leiden kann, so handelt es sich nach wie vor um ein bedeutsames militärisches Zeremoniell. Und da nehme ich einfach mal an, dass die beteiligten Soldaten - bei zivilen Musikern würde man sagen: - "professionell" genug sind, das Ding ordentlich abliefern zu wollen.

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