Montag, 30. Juli 2012

Zum "Steinparadoxon"

Kann Gott einen Stein schaffen, der so schwer ist, dass er ihn nicht heben kann?

Gerade der biblische Gott löst das Paradoxon elegant auf - allerdings wird oft und nachdrücklich gefordert, den christlichen Gottesbegriff außen vor zu lassen: die Differenzierung zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist soll aufgegeben werden. So wird von vorn herein die Möglichkeit negiert, dass ein Christ auf diese Frage antworten kann, da er für eine Antwort das Herzstück seines Glaubens beiseite legen soll, um einen vom Fragesteller vorgegebenen Gottesbegriff anzunehmen. Wenn es in Gott jedoch Vater, Sohn und Heiligen Geist gibt, dann muss man zwischen diesen differenzieren; dann kommt man nicht um die Annahme herum, dass der Vater einen Stein schaffen kann, der die reine Muskelkraft des Sohnes übersteigt.

Und ja: Allmacht heißt auch, die Macht zu besitzen, sich zurückzunehmen. Dies scheint jedoch bei manchen nicht in der Macht der Vorstellung zu liegen. Der trinitarische Gottesbegriff vereint in sich Einheit und Vielheit, Macht und Ohnmacht, das Abstrakte und das Konkrete, Absolutheit und Relativität. Das darf man kritisieren, man muss es nicht teilen, man kann es durchaus ablehnen. Wenn man sich aber darauf einlässt, dann sollte man so konsequent sein und es vollständig mittragen. Und das schließt eben eine Antwort auf das "Steinparadoxon" mit ein.

Der Vater ist voll und ganz Gott, wie auch der Sohn voll und ganz Gott ist. Der Sohn ist aber nicht der Vater und vice versa. Vater, Sohn und Heiliger Geist sind nur in Bezug auf den bzw. die beiden anderen Vater, Sohn und Heiliger Geist, in Bezug auf sich selbst sind sie jeweils Gott. Sie sind nicht "Aspekte" Gottes, sondern reale Personen (Hypostasen) in Gott, der so in sich die Konzepte "Einheit" und "Vielheit" ebenso zusammenführt wie die Konzepte "Statik" und "Dynamik". Damit einhergehend beinhaltet Gott in sich auch die Konzepte "Macht" und "Ohnmacht" - am deutlichsten greifbar in der Menschwerdung des Sohnes, der als hilfloses Kind in der Krippe liegt und später als misshandelter und wehrloser Erwachsener am Kreuz hängt -, womit auch das Paradox beantwortet wird. Dass die Formulierung mit dem Stein nicht die einzige Möglichkeit ist, dieses Paradoxon zu formulieren, zeigt zudem ein Verweis auf Mk 13,32.

Die trinitarische Gottesvorstellung löst nun das Allmachtsparadoxon, indem sie Macht und Ohnmacht unter einen Hut bringt, sogar durch den Kern des Trinitätsglaubens selbst - den Tod am Kreuz: Die größte Macht offenbart sich hier zugleich als größte Ohnmacht, und in der größten Ohnmacht zeigt sich die größte Macht. Genau darum drehen sich auch die Fragen rund um das "Allmachtsparadoxon". Das Problem der Debatte scheint mir, bei näherer Überlegung, allerdings eher darin zu liegen, dass wirkliche Allmacht die menschliche Kategorienwelt übersteigt. Sie ist zu einem Teil noch mit-denkbar, aber irgendwann reichen die Begriffe nicht mehr aus (ähnlich gilt dies auch für die Trinität).

Das heißt nun konkret, dass der trinitarische Gottesbegriff - der Macht und Ohnmacht zusammen denkt - die Frage nach dem "Steinparadoxon" - in der gefragt wird, ob in Gott Macht und Ohnmacht zusammen gedacht werden können - beantwortet. Er sagt: In Gott können Macht und Ohnmacht zusammen gedacht werden, und zwar als sich voll und ganz schenkende Macht wie auch als sich voll und ganz schenkende Ohnmacht, die beide im Sich-voll-und-ganz-Schenken eins sind. Mehr wird nicht gefragt.

Das Interessante dabei: Die als Reaktion darauf erfolgenden Umformulierungen der Frage implizieren mehr oder minder offen eine Absage an genau diese Antwort, sie schließen also a priori aus, dass in Gott Macht und Ohnmacht zusammen gedacht werden können. Sei es nun, indem man verlangt, ausschließlich "Macht" in Gott zu denken. Sei es, indem man verlangt, die Unterscheidung zwischen "Macht" und "Ohnmacht" aufzugeben. Sei es, indem man das "Sich-voll-und-ganz-Schenken" nicht haben möchte. Vielleicht entlarvt der Trinitätsgedanke auch einfach nur die anthropomorphe Vorstellung von "Gott", welcher der Fragesteller anhängt. Mithin möglicherweise ein Grund, warum sie nicht akzeptiert werden will: Gott ist mehr als eine Person. Das kollidiert mit dem, was man von nicht-gläubiger Seite aus erwartet. Denn ich habe das Gefühl, als wolle die Frage nach dem "Steinparadoxon" nur darauf zielen, den alten Mann mit Bart als unplausibel darzustellen. Dass der aber in erster Linie eine un-gläubige Konstruktion ist, wird nicht beachtet: Der alte Mann mit Bart mag zwar in der christlichen Bilderwelt zur Veranschaulichung von Gott-Vater vorkommen. Den Anspruch allerdings, hierin die Gesamtheit der göttlichen Fülle dargestellt zu sehen, sucht man vergeblich. Ebendieser Anspruch markiert die un-gläubige Konstruktion.

Der Trinitätsgedanke ist nun nicht weniger un- oder denkbar als, sagen wir, das Psi in der Quantenphysik. Nur weil - beim einen wie beim anderen - das Angenommene über die menschlich vorstellbare Anschauung hinaus geht, spricht das nicht gegen die Annahme.

Der erste Unterschied liegt freilich auf der Hand: Wo mit der Physik die Komplementarität zweier anscheinend unvereinbarer Anschauungen (im Kern nach wie vor Parmenides gegen Heraklit) angenommen werden soll, darf das in Diskussionen über Gott und Welt den Gläubigen nicht einmal ansatzweise unterstellt werden. Warum? Weil es abwegig wäre, einen vernünftigen Gottesbegriff zu postulieren, wo doch "jeder" weiß, dass das Konzept "Gott" per definitionem Unvernunft voraussetzen muss.

Ein weiterer Unterschied darf allerdings auch nicht unterschlagen werden: Das Psi wird ganz offen als Symbol propagiert, als bloßes Hilfsmittel zum Denken, das - wie auch z.B. Feldlinien - nichts Reales darstellt. Die Trinität hingegen wird als Realität angenommen. Und zwar als eine Realität, die in letzter Konsequenz nicht objektiviert werden kann, da sie - und hier kommt der althebräische Stammesgott ins Spiel - als numen personale gerade kein numen locale beschreibt. Und wie wir alle wissen, gibt es Nichtobjektivierbarkeit und Nichtlokalität schließlich nur in der Quantenwelt.

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