Es lässt sich klassifizieren:
- Wirtschaft beschreibt einen Bereich - ein Netzwerk - von zwischenmenschlichen Beziehungen; und zwar diejenigen Beziehungen, die sich an den Interessen des Einzelnen ausrichten.
- Politik beschreibt ein Netzwerk für die Interessen der Gemeinschaft.
- Gesellschaft beschreibt ein Netzwerk jenseits von Interessen.
- Recht hat eher einen rein instrumentellen Charakter als Maßstab zur normativen Gestaltung dieser Netzwerke. Es setzt diese Netzwerke also voraus und steht ihnen nicht gegenüber. "Anarchie" (Herrschaftslosigkeit) heißt nicht "Anomie" (Gesetzlosigkeit), und darum kann "Recht" auch ohne Zwang existieren.
- Staat wiederum ist das Aggregat aus Staatsvolk, Staatsregierung und Staatsgebiet; und als solches fasst er die verschiedenen Netzwerke mit je konkret ausgestalteter Rechtsordnung zusammen.
"Wirtschaft" und "Recht" sind darum nicht zwei Seiten derselben Medaille (desselben Prisma), sondern sie gehören zu unterschiedlichen Medaillen (Prismen). "Recht" wird hierbei als Maßstab zur Ausgestaltung der genannten Netzwerke gesetzt, weil es sich beim Recht um konkret greifbare moralisch-ethische Prinzipien, Maximen und/oder Leitsätze handelt. "Recht" kann seinerseits wiederum in "Gesetz" überführt werden.
Die Definition von "Staat" als Aggregat aus Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsregierung stammt vom Staatsrechtler (oder Staatswissenschaftler, wie die Politologie vor hundert Jahren auch hieß) Georg Jellinek und ist so eigenartig gar nicht einmal. Im Gegenteil: Es handelt sich dabei um die gängig(st)e Definition im wissenschaftlichen Bereich. Wenn es heißt, "Der Staat soll X tun", dann ist damit meist die Staatsregierung gemeint, und allgemeiner kann man bei diesem Satz all jene Akteure (z.B. Institutionen, Organe, Personen, ...) subsumieren, die stellvertretend oder repräsentativ für dieses Aggregat handeln. Und, ja, man kann die Vorsilbe "Staats-" jeweils auch weglassen, ohne dass sich materiell etwas ändert: ob ich nun "Staatsregierung" oder "Regierung" sage, kommt auf dasselbe heraus. Man muss dabei jedoch aufpassen, denn ein Parlament z.B. kann zur Staatsregierung in diesem politologischen Sinne gehören, auch wenn in einer konkreten Verfassungsordnung "Parlament" und "Regierung" als Staatsgewalten voneinander unterschieden oder getrennt werden. Brisanz erhält Jellineks Definition natürlich dadurch, dass sie nicht nur den klassischen oder idealtypischen Nationalstaat betrifft und umfasst, sondern auch supranationale Gebilde - Allianzen, Staatenverbünde, Bundesstaaten - sowie subnationale Einheiten - Gliedstaaten, Bundesländer, sogar Kommunen o.ä. - einbeziehen kann. Und streng genommen hat demnach jeder Verein, jeder Zusammenschluss und jede Familie ebenfalls zumindest einen Anteil am Staatscharakter; die Grenze zu Max Horkheimers racket als "Grundform der Herrschaft" wird hier fließend.
Das ist ein Problem vor allem für die libertären Anarcho-Kapitalisten, für die Nicht-Staatler: Denn so zeigt sich, dass man den Staat als Zusammenfassung verschiedener Netzwerke zwischenmenschlicher Beziehung mit je konkret ausgestalteter Rechtsordnung nie ganz abschaffen kann - es sei denn, man will den Menschen von seinem Mitmenschen isolieren. Darum meinen die Anarcho-Kapitalisten mit "Staat" auch meist nur den klassischen Nationalstaat, Zentralstaat o.ä.
Der Punkt ist nun:
- Als Netzwerke zwischenmenschlicher Beziehungen markieren Wirtschaft, Politik und Gesellschaft eine horizontale Dimension.
- Als Maßstab steht das Recht in einem vertikalen Kontinuum, das von ethisch-moralischen Prinzipien bis hin zum positiv gesetzten Legislativakt (Gesetz) reicht. In dieser Funktion verleiht es der zuvor genannten horizontalen Dimension eine konkrete Gestalt.
Es zeigt sich so, dass im Libertarismus die Tiefenschärfe nicht wirklich ausgearbeitet ist. Oder anders: Es wird sichtbar, wo und warum der Anarcho-Kapitalismus an einem inhärenten Fehler leidet - und warum Minarchismus zumindest die ehrlichere Option darstellt.
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