Montag, 4. Juni 2018

Kritik des Egozentrismus

Das Gefühl von Sicherheit und wirklich vorhandene Sicherheit sind am Ende zwei Paar Schuhe. Natürlich wird sich jemand, der dogmatische und hierarchische Strukturen braucht, in dogmatischen und hierarchischen Strukturen sicher fühlen - das ist ja quasi tautologisch vorgegeben. Andererseits fühlt sich natürlich der Egozentriker, der am liebsten alles und jeden andere(n) durch die eigene Souveränität (fremd-)bestimmt und regiert, durch so eine Struktur zutiefst verunsichert, da sie die eigene Souveränität naturgemäß herausfordert und dem Ego Grenzen setzt: Egozentrismus ist am Ende sehr viel bequemer als das Arrangement mit anderen Egos, das notwendig über Strukturen verläuft. Denn wo nur das eigene Ego bestimmend ist, da bedarf es keines vernünftigen Austausches, sondern es reicht recht eigentlich bloß die eigene Befindlichkeit - eben das eigene Gefühl - aus, um darauf eine sichere Welt zu bauen.

Verantwortung kommt da gar nicht erst aufs Tableau, denn Ver-antwort-ung - re-sponsibilitas und diverse Ableitungen, von der lat. Wurzel re + spondere - wörtl. "wieder- / zurück- geloben" - setzt voraus, dass ein anderer zuerst etwas sagt, auf das hin man Ant-wort - der Wurzel nach "Entgegen-Wort" - gibt. Das Beieinander von "Wort" und "Ant-Wort" etabliert nun aber eine Struktur, die ihrerseits nur schwerlich, d.h. eigentlich überhaupt nicht mit so einem Egozentrismus vereinbart werden kann. Denn diese Struktur ist in sich notwendig dogmatisch wie hierarchisch: Vom "Wort" aus baut sie eine Hierarchie zwischen der "Ant-Wort" und all den anderen "Worten" auf. Damit wird das "Wort" auf diese Weise auch dogmatisch, insofern eben eine Verbindlichkeit zwischen "Wort" und "Ant-Wort" herrscht.

Das führt dann natürlich erkenntnistheoretisch zur Frage, ob solch ein Egozentrismus denn überhaupt etwas mit der Beziehung zwischen dem bloß eigenen Denken und der Wirklichkeit jenseits des bloß eigenen Denkens anfangen kann, sprich: ob solch ein Egozentrismus überhaupt "Vernunft" als Beziehung zwischen Dasein und Denken}, als Methode, d.h. als Weg zur kritischen Überprüfung von Sätzen über die beobachtbare Realität anerkennen kann - denn schließlich wird darüber eine Struktur etabliert, auf die das "Wort"-"Ant-Wort"-Verhältnis zuträfe.

Kurzum: Hat denn der Egozentriker überhaupt etwas anderes als sein Gefühl, als seine Emotion (von lat. ex + movere, wörtl. "heraus-bewegen"), als seine eigene, d.h. nur in sich selbst gründende Mein-ung, um der Welt zu begegnen? Und muss nicht derjenige, der mit Vernunft hantieren will, bewusst und willentlich in eine dogmatische und hierarchische Struktur eintreten?

Es wäre nun natürlich höchst unredlich, pauschal jeden, der die genannten Strukturen ablehnt, a priori als einen solchen Egozentriker zu bezeichnen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen