Dienstag, 8. April 2014

Ungarn? Ungern.

Warum der ungarischen Regierung mit tiefem Misstrauen begegnet werden sollte:

Die Rückkehr zur Stephanskrone.-- Dieser Bezug ist Ausdruck einer magyarischen Herrenvolkideologie, die bereits im späten Habsburgerreich virulent war (der Habsburger wurde entthront und durch einen "Reichsverweser" ersetzt) und das ungarische Volk nicht nur als Einheit unter der Krone sah/sieht, sondern auch über den anderen Völkern (des alten Habsburgerverbands). Es handelt sich hierbei um einen Traditionalismus, ergo Modernismus. Besonders interessant: Die Krone ist päpstliche Stiftung (daher der Titel "Apostolischer König", den der Ungar tragen durfte), Ungarn als Land deshalb päpstliches Beneficium. Die Krone ist kein Ausdruck von Volkssouveränität und kann folglich auch nicht vom Volk (oder einer vom Volk gewählten ungarischen Regierung) für sich reklamiert werden.

Die Definition der Ehe als Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau in der neuen Verfassung.-- Der Staat hat kein Recht und keine Kompetenz zu sagen, was die Ehe ist und was nicht. Das ist Aufgabe der Kirche als Verwalterin der Sakramente. Der Staat kann lediglich geschlossene Ehen anerkennen sowie privatrechtliche Verträge sanktionieren, die eheähnliche Gütergemeinschaften konstituieren. Diese Übernahme kirchlicher Kompetenz durch den Staat ist ein Modernismus, der sich - in diesem konkreten Fall - als Traditionalismus präsentiert.

Die Zweidrittelmehrheit im Parlament.-- Alleine schon diese gewaltige demokratische Mehrheit muss massive Skepsis hervorrufen (bei Papst Franziskus reicht ja weitaus weniger Zuspruch für weitaus mehr Missfallen; und Angela Merkel hat die absolute Mehrheit nur knapp verpasst ohne dass ihre Politik dadurch Begeisterungsstürme auslösen würde) - da muss ein Haken sein, das kann nicht kosher sein, wenn fast alle es gut finden. Es muss gefragt werden: Warum kann Orban die tumbe Masse für sich begeistern? Und warum sollte gerade das ungarische Volk so vertrauenswürdig in seinem Votum sein? Gerade bei letzterer Frage besteht schließlich die Gefahr, in eine völkische Argumentation zu schlittern und sich der schon erwähnten magyarischen Herrenvolkideologie anzuschließen, demnach die Ungarn halt wissen, was das beste für alle ist. Wo hier gegenüber der demokratischen Mehrheit die Skepsis beiseitegeschoben wird, folgt man ganz offen dem Modernismus des Demokratismus.

Politische Ethik ist kein quid pro quo, kein Kuhhandel: Nur weil ein Akteur einem möglichen eigenen Modernismus nahekommt, rechtfertigt das keinen anderen Modernismus. Das ist letztlich dieselbe Masche, die den (vermeintlichen) Konservatismus gegenüber dem Nationalsozialismus geöffnet hat. Das Mutterkreuz rechtfertigt jedoch nicht das Hakenkreuz, ebensowenig wie Obamas Politik Begeisterung verdient hat, weil er Osama zur Strecke gebracht hat.

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