Nach der Feier des österlichen Triduum in der außerordentlichen - "tridentinischen", "lateinischen" - Form eine zentrale Beobachtung:
Karfreitagsliturgie, Fürbitten.
Ordentliche Form: "Beuget die Knie".
Außerordentliche Form: fleccamus genua - "beugen wir die Knie".
Gemeinhin wird an der Liturgiereform mit ihrem Volksaltar und Pipapo kritisiert, dass versus populum zelebriert wird - und damit auch das Volk quasi angebetet werde. Das stimmt nicht: Es geht um die Rolle des Priesters.
In der außerordentlichen Form ist es in der Tat so, dass der Priester in Sachen Verehrung und Anbetung auf Seiten des Kirchenvolkes steht. Und ich muss sagen: Ich hatte noch nie so sehr das Gefühl, aktiv etwas zu einem Gottesdienst beizutragen (oder eher: beitragen zu können) wie da in der "tridentinischen" Messe; selbst im Vergleich zu meiner Zeit als Messdiener. Denn das Krasse ist, wie viel die Messdiener in der außerordentlichen Form tun und werkeln und rumhantieren. Sie sind dort wirklich die zusätzlichen Hände des Priesters, keine Helfer von ihm, sondern zusätzliche Körperteile (so wird auch klar, warum in dieser Form keine Mädchen Messdiener sein können). Nichts von wegen nur Kerzen und Klingelbeutel tragen, während die Chefs auch mal für das Gebetbuch des Pfarrers den Buchständer spielen dürfen. Die Messdiener heben dem Priester bei der Kniebeuge sogar das Gewand hoch.Jedenfalls: Die Messe in ihrer außerordentlichen Form ist räumlich klar strukturiert, nicht nur in ihrem Ablauf, sondern auch in ihrem Handlungskreis. Vom Hochaltar, d.h. dem Himmel her, wirkt Gott - er ist das Zentrum. Dann geht es in gut (neu-)platonischer Weise konzentrisch weiter: Im Altarraum wirkt der geweihte Priester mit seinen erweiterten Körperteilen. Jenseits der Kommunionbänke wirkt das Kirchenvolk, oder: die Laienpriester mit all ihren verschiedenen Körperteilen. Und jenseits der Kirchenmauern befindet sich die übrige Welt. Zusätzliche Beobachtung: Beim Nachdenken mag das zuvor genannte "konzentrisch" etwas aufstoßen. Aber es passt universal gedacht: das Kirchenschiff ist nach Osten hin ausgerichtet, der Hochaltar ist so gesehen das himmlische Jerusalem, die Mitte der Welt. Ein einzelnes Kirchengebäude und eine einzelne zelebrierte Messe wirkt für sich genommen tatsächlich nicht konzentrisch. Aber wenn man es im Gesamten betrachtet, alle Messen durch alle Zeiten und alle Orte hindurch - das ergibt die Konzentrik. Und das macht diese Messe auch zum Abbild des himmlischen Gottesdienstes. Die Messe in ihrer außerordentlichen Form ist damit die Messe einer Welt, die gänzlich auf Gott, auf das himmlische Jerusalem ausgerichtet ist.
Um wie viel ärmer mag einem da die Messe in ihrer ordentlichen Form erscheinen. Auf den ersten Blick. Auf den ersten flüchtigen Blick. Der Priester steht dem Volk gegenüber. Das heißt aber nicht, dass er das Volk anbeten würde, ganz im Gegenteil: das fordert heraus. Und zwar nicht nur die Traditionalisten. Indem der Priester zum Volk gewandt im Kirchenraum steht, wird sein Dasein und Handeln in persona Christi betont. Dies verrät die Zelebration der Karfreitagsfürbitten: Durch die Anweisung "beuget die Knie" hebt sich der Priester in seinem Handeln vom "beugen wir die Knie" in der außerordentlichen Form ab. Er spricht hier von einer Position aus, die eine solche Anweisung geben kann. Das heißt: Eigentlich ist nun der Priester - in persona Christi - der Hochaltar. Bildhaft gesprochen.
Die Konzentrik ist jedoch nicht mehr so gegeben. Aber bevor Kritik kommt - das muss nicht per se schlecht sein: Es heißt zwar, dass durch die Liturgiereform das Laienpriestertum gestärkt werden sollte (oder das wird zumindest unterstellt) und die Laien in der "neuen" Messe mehr zu tun haben - aber das stimmt nicht. Die Laien haben nicht mehr zu tun: Es sind einige, es sind ausgewählte Laien, die bestimmte Dinge tun können. So beispielsweise Lektoren oder Kommunionhelfer. Und so wie der Priester quasi aus dem Kirchenvolk herausgelöst und in persona Christi vor das Volk gestellt wurde, so werden nun auch bestimmte Laien aus dem Volk herausgelöst und quasi als Repräsentation des Kirchenvolks vor das Volk gestellt. Die konzentrische Struktur wurde hier quasi durch eine hierarchische Struktur ersetzt. Von oben nach unten: (1) Der Priester in persona Christi; (2) die Ministranten nicht mehr als Körperteile des Priesters, sondern als eine Art von Werkzeug, eben in Form von "Kerzenhalter" und "Buchständer"; (3) die Lektoren und Kommunionhelfer; (4) das allgemeine Volk.
Die einzelne Messfeier ist somit in sich viel eher ein Abbild des gesamten Ganzen, indem die räumliche Konzentrik zugunsten der hierarchischen Struktur in den Hintergrund tritt. Sie mag ein weniger räumlich-plastisches Abbild sein und mehr atomistisch - aber damit ist genau diese Form der Messe die Messe einer Welt, die atomisiert ist, die Messe, die von einer solchen Welt gebraucht wird. Die Messe einer Welt, in der man erst einmal den Raum aufreißen muss, damit die himmlische Hierarchie dort ihren Platz findet.
Beide Formen der Messe sind nicht perfekt im Sinne von "vollkommenes Abbild der himmlischen Liturgie", denn beide Formen der Messe sind nicht alles zugleich an jedem Ort. Aber das können (und sollen) sie nicht sein. Wären sie es, man könnte die Messe nicht verstehen: Schließlich heißt Verstehen, das Unvollkommene als Abbild es Vollkommenen zu sehen. Schön dargestellt wird dies im Evangelienbericht des Johannes anhand der Fußwaschung (Joh 13):
Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung. [...] Was ich tue, verstehst du jetzt noch nicht; doch später wirst du es begreifen.
Petrus widerspricht, weil er das noch unvollendete Erlösungswerk zu diesem Zeitpunkt nicht als Bild des vollendeten Erlösungswerkes sehen kann.
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