Mittwoch, 16. April 2014

Zur katholischen Sexualmoral

Das "Gedankengut der katholischen Kirche wie sie früher war" und dem viele "schon einen Teil der Verantwortung" geben würden, ging ziemlich lange von der Annahme aus, dass das Zeugen eines Kindes nur dann funktioniert, wenn die Frau zum Höhepunkt kommt. Ergo: Der weibliche Orgasmus war Pflicht beim Sex. Es war insofern eher so, dass es zum Schämen war, wenn man keinen tollen Sex hatte. Denn da hatte man als Mann - der damaligen Auffassung gemäß - die Frau nicht befriedigt, ergo nicht gezeugt und damit nur zum eigenen Vergnügen gepimpert.

Das hat sich erst geändert, als ab dem 18. Jahrhundert ganz wissenschaftlich herausgefunden wurde, dass die Maxime "ohne Lust tritt nichts Sterbliches ins Leben" (nicht umsonst hat der Orgasmus auch die Bezeichnung "kleiner Tod" erhalten) nicht gilt, und die Frau zur Empfängnis weder zum Höhepunkt gebracht noch überhaupt bei Bewusstsein sein muss.

Und auch was die Sache mit dem Körper angeht, erscheint mir die allgemeine Wiedergabe etwas unpräzise. Der katholische Raum war und ist - gerade auch durch das Fortleben der antik-römischen Tradition - eigentlich sehr leib-freundlich (Kunststück: Wird in der Eucharistie doch der Leib verehrt). Und gerade das war und ist der Kritikpunkt von allerhand Splittergruppen und Häretikern. Am prominentesten sind dabei die reformatorischen Strömungen im 16. Jahrhundert, die der katholischen Leibfreundlichkeit ein Alternativmodell entgegenstellt haben: Galt und gilt im katholischen Raum eine Ästhetik des Leibes, die nicht zwangsläufig sexuell aufgeladen sein muss (!) und im Sakrament der Ehe durch die sexuelle Komponente ihre zwischenmenschliche Veredelung in der Lehre der Kirche erfährt, so hat die Reformation eine strikte Bindung der Ästhetik des Leibes an das Sexuelle hinterlassen. Deshalb muss die Ehe - dieses "weltlich Ding", das als einzig legitimer Rahmen gilt, den menschlichen Körper schön zu finden - auch für Pfarrer möglich sein; sonst wissen die ja gar nicht wohin mit der ganzen Ästhetik.

Insofern stimme ich aber der Einschätzung zu, dass es eine gewisse Fremdheit gegenüber dem Körper(lichen) gibt. Das drückt sich auch in der Diskussion rund um die Verhütung aus. Die von der Kirche als "sittlich" eingestuften Methoden zur Empfängnisregelung setzen zwingend voraus, dass man (und das meint neben der Frau gerade auch den Mann) den Körper der Frau (aner-)kennt und entsprechende Zeichen, die er aussendet, zu deuten weiß. Dem gegenüber stehen Methoden zur Empfängnisverhütung, bei denen man den Körper nicht zu kennen braucht, da sie den jeweiligen Körper zum sorglosen Geschlechtsverkehr bereit halten oder bereit machen.

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