Dass Fremd-bestimmung vor Selbst-bestimmung stattfindet, gehört zu den ontologischen Merkmalen des Mensch-Seins. Denn noch bevor ein Mensch überhaupt das erste Mal "ich" oder "nein" sagen kann, werden bereits die grundlegenden Dinge seines Daseins von anderen bestimmt: Ob er überhaupt existiert, in welche Verhältnisse er hineingeboren wird, wie er heißt, zu welcher Familie er gehört, welches Geschlecht er hat, welchem Staat er angehört. Die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft ist ebenfalls solch ein Merkmal, und es kann positiv oder negativ bestimmt werden. Religiös unbestimmt ist kein Mensch, denn er kann auch ohne formelle Aufnahme in eine Gemeinschaft immer als Kind von atheistischen, buddhistischen, christlichen, daoistischen, esoterischen, freidenkerischen, gnostischen, hinduistischen, islamischen, jesidischen, ... you name it ... Eltern bestimmt werden. Und sofern die Eltern mit dem Kind inter-agieren, wird es auch immer durch die religiöse oder weltanschauliche Überzeugung der Eltern zumindest mit-geprägt.
It is a truth which cannot be doubted: The civil world is certainly the creation of humankind. And consequently, the principles of the civil world can and must be discovered within the modifications of the human mind. (Giambattista Vico, Scienza Nuova)
Samstag, 21. April 2018
Montag, 9. April 2018
Die Wissenschaftlichkeit der Theologie
Die Naturwissenschaften sind seit geraumer Zeit nicht mehr nur in der Welt des Meters, des Kilogramms und der Sekunde unterwegs, sondern sie gehen über diesen menschlichen Mesokosmos (das zwischen dem ganz Großen und dem ganz Kleinen) hinaus, nämlich hinein in den Mikrokosmos (das ganz Kleine) sowie in den Makrokosmos (das ganz Große). Wo die menschlichen Sinnesorgane zu grob (Mikrokosmos) oder zu fein (Makrokosmos) für diese Maßstäbe sind, da entzieht sich der Gegenstand der unmittelbaren menschlichen Anschauung, und es werden handwerkliche Hilfsmittel eingesetzt, um diese Sachverhalte in den menschlichen Mesokosmos zu übersetzen: So wird gewissermaßen das Unsichtbare sichtbar gemacht.
Diese Übersetzungen geschehen vermittels formal geregelter Vorgehensweise, die auf eine saubere, nachvollziehbare und folgerichtige Darstellung zielt; so können es andere Leute zu anderer Zeit an anderem Ort auch verstehen. Als Bestandteil dieser sauberen, nachvollziehbaren und folgerichtigen Darstellung werden künstliche Sachverhalte unter formal geregelten Bedingungen erzeugt, die im Idealfall von anderen Leuten zu anderer Zeit an anderem Ort wiederholt werden können. Klappt so eine Wiederholung nicht oder zeigt sich die Darstellung anderweitig nicht als nachvollziehbar oder folgerichtig, so muss nachgebessert werden.
Zum Fach "Theologie"
Dass Theologie vornehmlich bekenntnisgebunden studiert und gelehrt wird, stellt in der Tat eine - sowohl historisch als auch durchaus systematisch bedingte - Eigenart dieses Faches dar. Die Unterscheidung zwischen katholischer, protestantischer, orthodoxer oder gar jüdischer (Jüdische Studien) und islamischer (Islamwissenschaft) Theologie ist einerseits schärfer als z.B. zwischen "orthodoxer" (neo-klassische Synthese) und "heterodoxer" (Marxismus, Österreichische Schule, ...) Wirtschaftswissenschaft oder zwischen newtonscher und einsteinscher Physik, andererseits aber nicht so scharf wie z.B. zwischen Soziologie und Sozialgeschichte oder Ethnologie und Archäologie. Die Bekenntnisgebundenheit der Theologie markiert damit mehr als nur Denkschulen, aber doch weniger als separate Fächer. Im Sinne der akademischen Pluralität scheint mir so eine dritte Ebene problemlos tolerabel.
Mittwoch, 4. April 2018
"Sklaverei in der Bibel": Levitikus 25
Lev 25,44-46:
Die Sklaven und Sklavinnen, die euch gehören sollen, kauft von den Völkern, die rings um euch wohnen; von ihnen könnt ihr Sklaven und Sklavinnen erwerben. Auch von den Kindern der Halbbürger, die bei euch leben, von den Kindern, die sie in eurem Land gezeugt haben, könnt ihr Sklaven erwerben. Sie sollen euer Eigentum sein, und ihr dürft sie euren Söhnen vererben, damit diese sie als dauerndes Eigentum besitzen, ihr sollt sie als Sklaven haben. Aber was eure Brüder, die Israeliten, angeht, so soll keiner über den anderen mit Gewalt herrschen.
Ich verstehe diese Passage zunächst einmal als Auszug aus einem größeren Text, und ich frage folglich: Aus welchem Text ist diese Passage entnommen? In welchem Kontext steht diese Passage? Im Grunde ist das das normale Prozedere, um Texte aus der menschlichen Kulturgeschichte zu verstehen.
Und weil die Bibel eine Sammlung von Texten aus der menschlichen Kulturgeschichte beinhaltet, lässt sich dieses Vorgehen auch auf die Schriften der Bibel anwenden: