Zur Feier der Osteroktav gibt es heute Bacon-Cheeseburger, und normalerweise würden damit mehrere große Speiseverbote gebrochen:
- jüdisch: kein Milchiges in Kombination mit Fleischigem; kein Fleisch vom Schwein
- islamisch: kein Fleisch vom Schwein
- hinduistisch: kein Fleisch vom Rind
- christlich: kein Fleisch am Freitag
- jainistisch und säkular: kein Fleisch
Das Osterereignis reißt den Menschen jedoch radikal aus diesen qua Verbot normierten und damit "normalen" Zusammenhängen heraus.
Das ist die große Freiheit, welche im analogielosen Geschehen der Auferstehung Christi steckt: Sie durchbricht die Grenzen aller religiösen, politischen und kulturellen Strukturen, und sie transzendiert die natürliche und historische Welt; damit gelten die dort üblichen - "normalen" - Regeln nicht mehr. Gleichzeitig mahnt uns der Zeitpunkt der Osteroktav zur adäquaten Kontextualisierung dieser Freiheit: Denn auch wenn wir als Christen bereits Anteil an der Auferstehung haben, so leben wir doch immer noch in einer Welt, die von ebenjenen Regeln gestaltet und von ebenjenen Grenzen bestimmt wird.
Grenzen zu transzendieren bedeutet nicht, dass es keinerlei Grenzen mehr gäbe, ganz im Gegenteil: Erst in der Transzendenz, im Überstieg, erhalten bestehende Grenzen ihre eigentliche Bedeutung. Die Grenze zwischen Existenz und Essenz trägt nur dadurch Bedeutung, dass bestimmte Phänomene als solche eine je eigene Zusammenfügung aus Wesenskern und Seinsakt darstellen. Die Grenze zwischen Akt und Potenz erhält nur dadurch Bedeutung, dass bestimmte Möglichkeiten in die Wirklichkeit überführt werden. Die Grenze zwischen Sprachen, kulturellen Traditionen oder Staaten kann nur dann etwas bedeuten, wenn sich Menschen diesseits und jenseits der jeweiligen Abgrenzung verstehen wollen.
Grenzen sind insofern kein Selbstzweck, d.h. in sich, an sich und/oder für sich stehende Ziele von bzw. für bestimmtes Verhalten, sondern sie sind immer nur Mittel zu bestimmten anderen Zwecken: Dasein, Verwirklichung, Gemeinschaft.
Andererseits muss jedoch auch gesagt werden: Grenzüberschreitungen sind nicht per se "gut", d.h. erstrebenswerte Ziele; sie sind nur insofern erstrebenswert, als sie die genannten Zwecke auch erreichen und umsetzen (können).
Die Teilhabe an der Auferstehung resultiert darum nicht in Willkür und Schrankenlosigkeit, nicht im zügellosen Genuss oder in der Völlerei, sondern in einer Grenzüberschreitung, die das richtige Maß kennt; in einer Grenzüberschreitung, die weiß, von woher welche Grenze nach wohin besteht; in einer Grenzüberschreitung, die als solche wirklich etwas be-deuten kann und muss.
In der Menschenwelt wird Bedeutung üblicherweise habituell erfahren, und Bedeutsames erscheint insofern oftmals als "unnormal" oder "abnormal", indem es nicht als selbst-verständlich wahrgenommen wird. Dies vollzieht sich auf sehr intime Art und Weise in und mit der verzehrten Speise, da hier die Nahrung als Grundlage des physiologischen Stoffwechsels in den je eigenen Körper aufgenommen wird, der hierdurch im und am Leben bleibt.
Unter diesem Licht lassen sich religiöse und ethische Speisegebote, -verbote und/oder -tabus verstehen: Die Grundlage der Lebenserhaltung wird in Beziehung zu einer letzten und höchsten bedeutsamen Realität normiert, und ein Bruch dieser Normierung wirft die genormten Verhältnisse gewissermaßen durcheinander.
Genau dies geschieht in einem sehr sehr kleinen und konkreten Rahmen durch den Bacon-Cheeseburger am Freitag der Osteroktav, und als solches stellt diese essbare Abnormität ein entferntes und alltägliches Echo zum Ostergeschehen dar, in dem die Grundlage der Lebenserhaltung seitens der letzten und höchsten bedeutsamen Realität aus ihren natürlichen Angeln gerissen wurde.
Die Grenzüberschreitung, welche wir als Christen, als Zeugen der Auferstehung, in den Dingen dieser Welt erfahren, ist vor diesem Hintergrund letztlich in sich kein Ersatz für die ewige und endgültige Grenzüberschreitung; sie ist nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein konkret erfahrbares Abbild davon.
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