Teil 1 - Politik: Ein ästhetisch-technisches Kontinuum
Insofern der Einzelmensch in Gemeinschaft steht, begegnet ihm diese Gemeinschaft zu allererst über die Mittel, durch die sie sich vollzieht: der Stoff, aus dem ein konkreter gemeinschaftlicher Zustand besteht. Dies lässt sich unter dem Begriff der Normen zusammenfassen. Normen sind sozusagen das Kommunikationsmittel schlechthin, jenes Medium, über das sich gemeinschaftliche Äußerungen vollziehen, womit die Normen auch am nächsten zur Kultur als Verarbeitung der Kontingenzerfahrung vermittels Herstellung von Artefakten stehen: Normen sind Artefakte, und sie bestimmen als solches positiv, also aus ihrem Inhalt heraus, den Normal-Fall eines bestimmten Zustandes.Dabei gibt es eine ganze Reihe von Norm-Kategorien, also Zusammenfassungen individueller Normen unter dem Merkmal ihrer jeweiligen Gemeinsamkeit: So stehen soziale Normen neben Rechtsnormen, Sprachnormen neben Vektor- und Körpernormen, Arbeitsnormen neben statistischen Normen usw. Dies lässt eine grundsätzliche und aspekthafte Unterscheidung dieser Norm-Ebene als Stoffursache des gemeinschaftlichen Lebens zu: Insofern die Normen dem Einzelnen in der erlebten Praxis begegnen, handelt es sich um konkrete oder besondere Mittel, durch die sich das Gemeinschaftsleben verwirklicht; insofern diese einzeln erfahrenen Mittel jedoch bestimmte oder spezifische Gemeinsamkeiten aufweisen, handelt es sich auch um abstrakte Normen, die gleichsam theoretisches Potenzial besitzen. Normen sind somit einerseits praktisch, andererseits theoretisch.
In dieser ersten Unterscheidung wird sichtbar, dass die Normen als Kommunikationsmittel im gemeinschaftlichen Leben sich nicht nur aus Umständen ergeben, die ihnen außerhalb ihrer selbst vorangehen, sondern dass Normen auch selbst und aus sich heraus Umstände erzeugen können: Ein bestimmter Zustand des gemeinschaftlichen Lebens ist nicht nur normiert, sondern seinerseits gleichsam normierend. Insofern die Normen sich nun auf das Normierte beziehen, stehen sie für einen bestimmten Nutzen und einen besonderen Erfolg, der sich a posteriori in einem bestimmten Zustand geäußert hat. Insofern die Normen sich auf das Normierende beziehen, stehen sie für einen besonderen Anspruch und einen allgemeinen Grundsatz, der sich a priori für einen bestimmten Zustand benennen lässt.
Damit bildet die Unterscheidung zwischen dem theoretischen Norm-Aspekt, der normierend a priori einen Grundsatz und eine Verantwortung bezeichnet, und dem praktischen Norm-Aspekt, der normiert a posteriori einen Nutzen und einen Erfolg sichtbar macht, in sich wiederum auch die Unterscheidung zwischen Transzendenz und Immanenz ab.
Es scheint nämlich durchaus möglich, die Normen in sich (und, wie man sagen muss, fälschlicherweise) als Letztbegründung zu behandeln; eben insoweit sie sich ausschließlich aus den Umständen ergeben sollen, womit der bloße Erfolg einer Norm über ihre Legitimität entscheidet. Dadurch steht am Ende die Wirklichkeit als bloße Satzung, also als etwas Gesetztes, oder: als Gesetz, oder: als Positivum; und darin liegt der Kern des Positivismus. Der Positivismus ist so gesehen die eigentliche und grundlegende Immanenz-Ideologie, insofern es ihm stringent und ausschließlich um Naturgesetze oder Kulturgesetze geht, womit ein a posteriori eruierter Nutzen oder Erfolg als a priori vorhandener Grundsatz etabliert werden soll. Das verwischt am Ende normierende und normierte Normen und beschränkt die Normen rein auf sich selbst.
Gegenüber den Normen, die von Umständen geschaffen werden, stehen jedoch Normen, die selbst Umstände schaffen können und sollen, und deren Legitimität bestimmt sich dadurch, wie gut oder schlecht sie bestimmte Grundsätze gegenüber einer konkret gesetzten Wirklichkeit transportieren, inwiefern sie also eine konkret gesetzte Wirklichkeit um-setzen. Das transzendente Element verwirklicht sich folglich im theoretischen Norm-Aspekt, insofern dieser nämlich eine verantwortete Rückbindung eines bestimmten Zustandes an allgemeine Grundsätze herstellt.
Um von hier wieder zum Anfang zurückzukehren: Normen beschreiben schlicht, was der Mensch als Gemeinschaftswesen tut.
Der Bezug auf die Normen findet sich im politischen Denken vor allem in den konservativen Traditionssträngen, insofern sich ihr Ansatz von der Kultur her entfaltet, und dies vor allem dort, wo die entscheidenden Fragen sich um das Gegenüber von Menschenrechten einerseits sowie Bürgerrechten bzw. dem Völkerrecht andererseits drehen. Hierbei stehen die Menschenrechte auf der Seite des theoretischen Norm-Aspektes, der die transzendente Rückbindung eines jeden konkreten Zustandes herstellt. Das wird besonders deutlich in der Gegenüberstellung zu den Bürgerrechten, die als konkrete Gesetzgebung in der Verantwortung stehen, die Menschenrechte in der normierten Wirklichkeit abzubilden und diese dort auch durch-zu-setzen.
Insofern die Menschenrechte dem Völkerrecht gegenüber stehen, zeigt sich dies auf andere Weise: Während die Menschenrechte sich in ihrem Anspruch auf jeden Einzelmenschen erstrecken und dessen Wert umschreiben, da betrifft das Völkerrecht lediglich Korporativpersönlichkeiten und drückt diesbezügliche Konventionen aus. Somit erfüllen gerade die Menschenrechte als Anspruch und Wirklichkeit im politischen Leben eine transzendente Scharnierfunktion, um die Wirklichkeit als Satzung mit entsprechenden Grund-sätzen zu verbinden. Diese Grundsätze wiederum finden sich in den Werten.
Teil 3 - Der Mensch als Träger von Zwecken: Werte
Teil 4 - Der Mensch als Träger von Zielen: Grundwerte
Teil 5 - Der Mensch als Träger von Gründen: Prinzipien
Teil 6 - Individuelle und spezifische Personen
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