Es mag unterschiedlichste "Ansichten über Gott" geben, doch die seriöse Theologie ist sich (gemeinsam mit der seriösen Philosophie) wundersamerweise einig über ein paar Grundlagen. In jüngerer Zeit hat dies David Bentley Hart auf superbe Art und Weise dargestellt: Die abendländische causa prima, der indische satchidananda, das islamisch-sufistische wujud / wijdan / wajd - sie teilen alle eine gemeinsame Annahme über das, was "Gott" genannt wird, und sie alle lehnen die Identifikation von "Gott" mit einem bloßen Demiurgen ab. Das spiegelt sich auch in den großen Traditionen der mittelalterlichen Gelehrsamkeit wider - drei große Namen wären hier Averroës, Maimonides und Aquinas; nicht ganz so bekannt scheinen Shankara, Eriugena, Avicenna.
Was bei ihnen mit "Gott" gemeint ist, unterscheidet sich so fundamental von dem, was Richard Dawkins, Christopher Hitchens, Daniel Dennet, Sam Harris oder Bill Maher heutzutage darunter verkaufen wollen, und zu einem Großteil auch davon, was Ken Ham, Kent Hovind oder die kreationistischen Freizeit-Apologeten auf Youtube als Gott behaupten. Hier müssten wir für eine sinnvolle Diskussion die gleiche Sprache sprechen.
Um es konkret zu verdeutlichen: Gott ist causa prima, erste Ursache. Aber (!) das heißt nicht - wirklich: es heißt nicht, dass er die erste (oder n-te) Instanz einer Kette aus sekundären Ursachen (causae secundae) wäre. Das Vorhandensein der Infinitesimalrechnung beispielsweise kann also keinen Punkt für oder wider die erste Ursache machen. Sekundäre Ursachen sind das, was klassischerweise mit Aristoteles als Materialursache, Wirkursache, Formursache und Zielursache bezeichnet wird - und die empirisch-historischen Disziplinen, die Natur-, Sozial- und Kulturwissenschaften, beschäftigen sich mit diesen Ursachen. Wenn Gott als erste Ursache also nicht das n-te Glied in einer Kette aus sekundären Ursachen ist, dann heißt das:
- Gott ist nicht der Urstoff, aus dem die Welt besteht; er ist nicht die "erste Materie" (arché, materia prima). Das wäre Pantheismus. Die Welt ist materiell, d.h. in ihrem stofflichen Bestehen, eigenständig.
- Gott ist nicht die Urwirkung in der Welt; er ist weder der Urknall noch das Higgs-Boson noch eine Unregelmäßigkeit im Quantenvakuum noch irgendeine Urwirkung an der Grenze von anorganischer oder unbelebter und organischer oder belebter Materie, geschweige denn im Verlauf des non-random survival of random mutations. Das wäre Kreationismus. Die Welt ist wirklich, d.h. in ihren Wirkungen und in ihrem Wirken, eigenständig.
- Gott ist nicht die Urform der Welt, und die Welt ist keine verwandelte Form oder Transformation Gottes. Das wäre Deismus. Die Welt ist formal, d.h. in ihrer Gestalt, in ihren Gestalten und in ihrer Gestaltung, eigenständig.
- Gott ist nicht das Urziel der Welt, welches ihr ursprüngliche Einheit verleiht. Das wäre Panentheismus. Die Welt ist final, d.h. als ein Ziel in sich und als Träger eigener Ziele, eigenständig.
Der Glaube an Gott als erste Ursache bekennt damit ipso facto, d.h. im Glauben an Gott als erste Ursache selbst, die materielle, wirkliche, formale und finale Eigenständigkeit der Welt.
Meinen wir also dasselbe, wenn wir "Gott" sagen?
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