Teil 1 - Politik: Ein ästhetisch-technisches Kontinuum
Teil 2 - Der Mensch als Träger von Mitteln: Normen
It is a truth which cannot be doubted: The civil world is certainly the creation of humankind. And consequently, the principles of the civil world can and must be discovered within the modifications of the human mind. (Giambattista Vico, Scienza Nuova)
Teil 1 - Politik: Ein ästhetisch-technisches Kontinuum
Teil 2 - Der Mensch als Träger von Mitteln: Normen
Teil 1 - Politik: Ein ästhetisch-technisches Kontinuum
Insofern der Einzelmensch in Gemeinschaft steht, begegnet ihm diese Gemeinschaft zu allererst über die Mittel, durch die sie sich vollzieht: der Stoff, aus dem ein konkreter gemeinschaftlicher Zustand besteht. Dies lässt sich unter dem Begriff der Normen zusammenfassen. Normen sind sozusagen das Kommunikationsmittel schlechthin, jenes Medium, über das sich gemeinschaftliche Äußerungen vollziehen, womit die Normen auch am nächsten zur Kultur als Verarbeitung der Kontingenzerfahrung vermittels Herstellung von Artefakten stehen: Normen sind Artefakte, und sie bestimmen als solches positiv, also aus ihrem Inhalt heraus, den Normal-Fall eines bestimmten Zustandes.
Wirkliches Verstehen, und dabei ist noch nicht einmal von wissenschaftlichem Verstehen die Rede, begnügt sich jedoch nicht mit bloßen Erfahrungen, sondern reflektiert auf diese Erfahrungen, betrachtet sie formal und materiell, von innen und von außen, in sich und im Kontext. Dafür ist es notwendig, zunächst einmal einen Begriff derjenigen Sache zu haben, mit der man sich in Erfahrung wähnt, denn ohne einen Begriff lässt sich eine Sache nicht begreifen. Vor diesem Hintergrund scheint es wichtig, Begriffe einigermaßen klar zu umreißen und voneinander zu differenzieren, auch wenn man natürlich festhalten muss, dass es so etwas wie eine echte Objektsprache gar nicht gibt: Sprachlich bezeichnete Dinge können letzten Endes immer nur relativ zueinander voneinander beschrieben, unterschieden und getrennt werden.
Zum einen steht der anatomisch moderne Mensch: Stammesgeschichtlich existierte der letzte gemeinsame Vorfahre zwischen der Entwicklungslinie, die zur einzig rezenten Art innerhalb der Familie der hominini (homo sapiens) führte, und der Entwicklungslinie, die zu rezenten Schimpansen und Bonobos führte, vor etwa 6 bis 7 Millionen Jahren. Der älteste fossile Beleg für die Species homo sapiens ist wiederum etwa 300.000 Jahre alt.
Zum anderen steht der soziokulturell moderne Mensch: Ur- und frühgeschichtlich kann der Beginn der "Altsteinzeit" (Paläolithikum; ein Name, der letztlich mehr über das Erkenntnispotenzial der entsprechenden Wissenschaften verrät denn über die Zeit selbst) vor etwa zweieinhalb Millionen Jahren angesetzt werden; hier beginnt innerhalb derjenigen Entwicklungslinie, die zur rezenten Species homo sapiens führte, die Herstellung einfacher Werkzeuge aus Stein (in Kontrast zur bloßen Nutzung bestimmter Gegenstände als Werkzeuge). Das Jungpaläolithikum wird vor etwa 40.000 Jahren zeitgleich mit der Einwanderung des homo sapiens nach Europa angesetzt; um diese Zeit herum lässt sich in dieser Species erstmals Kunst in einem modernen Sinne nachweisen, insofern Höhlenmalereien und kleinere Artefakte erhalten sind. In ganz groben Strichen lässt sich schließlich zeitgleich mit dem Beginn des Holozän nach der letzten Kaltzeit vor etwa 12.000 Jahren auch (z.B. im Rahmen der Vorderasiatischen Archäologie) der Anfang einer menschlichen Kulturgeschichte im engeren Sinne ansetzen, die ein nach modernen Maßstäben "geschichtliches" Sozialverhalten kennt.
Soll also heißen: Innerhalb dieses Zeitraums - von vor etwa 6 bis 7 Millionen Jahren bis vor etwa 12.000 Jahren - beginnt irgendwann das menschliche Leben. Eine konkrete Antwort auf diese Frage ist natürlich immer auch abhängig davon, welche Gattungen und Arten aus der biologischen Familie der hominini die Fragestellerin unter dem weltanschaulichen Begriff "Mensch" subsumieren möchte und welche Kriterien zur Einhegung des Begriffs "Mensch" (Anatomie oder Sozialverhalten, Technik oder Kunst, etc.) verwendet werden sollen.
Allerdings beschreibt eine paläo- und kultur-anthropologische Perspektive ja nicht alles; und meist ist die Frage nach dem Beginn des menschlichen Lebens auch ganz anders gemeint: Fast immer geht es den Fragestellerinnen nämlich um die Frage, wann ein Mensch als Individuum existenziell ins Dasein tritt.