Dienstag, 14. April 2015

Glaube und Wissenschaft

Ohne religiösen Glauben keine Wissenschaft - das kann man so pauschal sagen, und es zeigt sich sehr schön anhand der Wissenschaftsgeschichte. Die intelligible Welt entspringt dem Glauben an eine nach-denkbare Schöpfung, die von ihrem Schöpfer vor-gedacht wurde, die fides quaerens intellectum zieht sich durch die letzten 2000 Jahre: Die empirischen Methoden verdanken wir u.a. dem Franziskaner Bacon, "Ockhams Rasiermesser" wurde gar direkt nach einem mittelalterlichen Mönch benannt, von den jesuitischen Astronomen ist meist nur negativ die Rede (wahrscheinlich weil sie Galilei im Experiment widerlegten), und mit Jean Picard (Berechnung des Erdumfangs), Francesco Grimaldi (Diffraktion des Lichtes) oder Gregor Mendel (Vererbungslehre) haben wir gar katholische Priester als Pioniere bestimmter Forschungsrichtungen, ebenso wie Georges Lemaître, der die von ihm entwickelte "Urknall-Theorie" (eigentlich ein Spottname der Verfechter der mittlerweile überholten "Steady State"-Hypothese) gar gegen Albert Einstein verteidigen musste. Und das ist mal nur eine ganz kleine Auswahl aus der katholischen Seite, von der protestantischen Tradition haben wir hierbei noch gar nicht gesprochen.

Wissenschaftsgeschichtlich lässt sich untersuchen, unter welchen Bedingungen sich das, was wir heute unter Wissenschaft verstehen, historisch entwickelt hat, woher es kommt und welche Prozesse und Strukturen eine Rolle gespielt haben. Und da lässt sich durchaus der religiöse Glaube, genauer gesagt: der weltanschauliche Hintergrund des Christentums als notwendige Voraussetzung identifizieren. Denn in diesem Umfeld hat das, was wir heute als Wissenschaft bezeichnen, das Licht der Welt erblickt.

Wissenschafts- und erkenntnistheoretisch lässt sich analog argumentieren. So begründet "Wissenschaft" als Methode des Erkennens das Sichtbare mit dem Unsichtbaren: Es ist dies nachgerade die historische Scheidung zwischen Mythos und Logos in der antiken Naturphilosophie, und eine geistesgeschichtliche Bewegung, die vor allem in den großen Monotheismen vollzogen wird. Dies steht in einem ständigen Spannungsverhältnis zum sog. "gesunden Menschenverstand" (common sense). Die wissenschaftliche Methode zehrt insofern von Voraussetzungen, die sie nicht aus sich selbst heraus begründen kann, sondern die immer vor ihrer Anwendung bereits vorhanden sein müssen. Das ist es, was geglaubt werden muss: genau diese Voraussetzungen. So lässt sich letztlich auch sagen, dass erst das Glauben das Wissen möglich macht.

Gewiss, es ließe sich natürlich auf zweierlei Weise Widerspruch erheben:

  • Erstens, indem Wissenschaft ganz allgemein begriffen wird als "Erweiterung, Weitergabe und Gesamtheit des Wissens", ohne nun näher zu spezifizieren, was denn überhaupt als Wissen gelten kann und was nicht. Dann wären freilich tradierte, religiöse Glaubensinhalte ebenso Teil von wissenschaftlicher Erkenntnis wie methodische Erhebungen zu Fallgesetzen oder Phänotypänderungen.
  • Zweitens, und das scheint wohl sehr viel beliebter zu sein, die Trennung zwischen "glauben" und "glauben". Es gäbe demnach einen allgemeinen Glauben, der das Vertrauen in Dinge beschreibt, die jenseits methodisch arbeitender Vernunft liegen, und der damit jedem methodisch erworbenen Wissen vorausgeht. Zum anderen gäbe es einen besonderen religiösen Glauben, der rein durch sein Glaubens-Objekt charakterisiert ist und als im Widerspruch zur methodisch arbeitenden Vernunft liegend behauptet wird. Mehr als die Behauptung eines solchen Unterschiedes gibt es in der Diskussion allerdings in der Regel nicht; auf eine tragfähige Begründung, warum diese wesenhafte Trennung zwischen allgemeinem Glauben und besonderem religiösen Glauben belastbar sein sollte, wartet man bis heute.

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