Freitag, 16. November 2018

Nachtgedanken: Jens Spahn und der Konservatismus

Ja, ich erlebe Szenefunktionäre, die nun ihrerseits die eigene Realität für die einzig wahre halten. Aber da gibt es ein weiteres Paradox: Wir haben als CDU eigentlich den Kulturkampf gewonnen und merken es nicht. Heute kämpft eine eher linke Szene für die gute alte bürgerliche Ehe - und mancher bei uns sieht das als Bedrohung, anstatt sich darüber zu freuen. Wenn Schwule und Lesben sich rechtlich verbindlich dauerhaft binden wollen, leben sie genau die Werte, die uns wichtig sind. Das ist modern gedachtes Bürgertum.

Von einem rein wertgebundenen Konservatismus aus gedacht - in der Hierarchie aus: (a) Prinzipien [d.h. Gründe], (b) Grundwerte [d.h. Ziele], (c) Werte [d.h. Zwecke], sowie (d) Normen [d.h. Mittel] -, ergibt Spahns Position durchaus Sinn. Demnach ist die Ehe nämlich bloße Güter- und Rechtsgemeinschaft - oder in den Worten Martin Luthers: "Die Ehe ist ein äußerlich, weltlich Ding." Wenn nun nicht nur Heterosexuelle danach leben wollen, sondern auch Homosexuelle diese Werte teilen und praktizieren möchten, dann ist das - unter diesem Paradigma - durchaus stimmig; die Vertreter dieser Werte haben sich damit durchgesetzt.[*]

Montag, 3. September 2018

Nachtgedanken: Marxismus

Karl Marx' Begriffswelt basiert weniger auf historischen und sozialwissenschaftlichen Analysen - viel mehr basieren bestimmte historische und sozialwissenschaftliche Analysen auf Marx' Begriffen; es verhält sich also eher umgekehrt. Auf der anderen Seite bedient sich Hitler in "Mein Kampf" munter aus dem Begriffsbaukasten der historischen und Naturwissenschaften seiner Zeit, freilich ohne deren analytische Dimension adäquat zu berücksichtigen.

Marx als "Basisdemokraten" zu begreifen, idealisiert zudem ein wenig zu sehr, denn diese Zuschreibung gehört dann doch eher zum per se staatsfeindlichen Kommunismus der Anarchisten um Bakunin. Marx steht - gerade insofern die Revolution nicht durch individuelles Streben einzelner (Sozial-)Revolutionäre erreicht werden soll, sondern sich aus den Notwendigkeiten der sozio-ökonomischen Entwicklung selbst ergeben muss - auf Seiten des Etatismus, denn aus den genannten Notwendigkeiten entspringt schließlich die Umformung, die Transformation des bürgerlichen Staates, die der marxschen Logik nach schließlich im Absterben der bourgeoisen Klassenherrschaft münde. Dem gegenüber setzt der Anarchismus auf die aprupte Abschaffung des Überkommenen, statt Umformung des Bestehenden auf Neugründung des Gemeinwesens.

Montag, 4. Juni 2018

Kritik des Egozentrismus

Das Gefühl von Sicherheit und wirklich vorhandene Sicherheit sind am Ende zwei Paar Schuhe. Natürlich wird sich jemand, der dogmatische und hierarchische Strukturen braucht, in dogmatischen und hierarchischen Strukturen sicher fühlen - das ist ja quasi tautologisch vorgegeben. Andererseits fühlt sich natürlich der Egozentriker, der am liebsten alles und jeden andere(n) durch die eigene Souveränität (fremd-)bestimmt und regiert, durch so eine Struktur zutiefst verunsichert, da sie die eigene Souveränität naturgemäß herausfordert und dem Ego Grenzen setzt: Egozentrismus ist am Ende sehr viel bequemer als das Arrangement mit anderen Egos, das notwendig über Strukturen verläuft. Denn wo nur das eigene Ego bestimmend ist, da bedarf es keines vernünftigen Austausches, sondern es reicht recht eigentlich bloß die eigene Befindlichkeit - eben das eigene Gefühl - aus, um darauf eine sichere Welt zu bauen.

Dienstag, 8. Mai 2018

Zur ersten Ursache

Wenn eine Erklärung für etwas gefunden werden soll, das heißt: wenn eine Sache A auf eine Ur-Sache B zurückgeführt werden soll, dann stellen sich gewisse Schwierigkeiten ein:

Samstag, 21. April 2018

Fremdbestimmung und Selbstbestimmung: Kindertaufe

Dass Fremd-bestimmung vor Selbst-bestimmung stattfindet, gehört zu den ontologischen Merkmalen des Mensch-Seins. Denn noch bevor ein Mensch überhaupt das erste Mal "ich" oder "nein" sagen kann, werden bereits die grundlegenden Dinge seines Daseins von anderen bestimmt: Ob er überhaupt existiert, in welche Verhältnisse er hineingeboren wird, wie er heißt, zu welcher Familie er gehört, welches Geschlecht er hat, welchem Staat er angehört. Die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft ist ebenfalls solch ein Merkmal, und es kann positiv oder negativ bestimmt werden. Religiös unbestimmt ist kein Mensch, denn er kann auch ohne formelle Aufnahme in eine Gemeinschaft immer als Kind von atheistischen, buddhistischen, christlichen, daoistischen, esoterischen, freidenkerischen, gnostischen, hinduistischen, islamischen, jesidischen, ... you name it ... Eltern bestimmt werden. Und sofern die Eltern mit dem Kind inter-agieren, wird es auch immer durch die religiöse oder weltanschauliche Überzeugung der Eltern zumindest mit-geprägt.

Montag, 9. April 2018

Die Wissenschaftlichkeit der Theologie

Die Naturwissenschaften sind seit geraumer Zeit nicht mehr nur in der Welt des Meters, des Kilogramms und der Sekunde unterwegs, sondern sie gehen über diesen menschlichen Mesokosmos (das zwischen dem ganz Großen und dem ganz Kleinen) hinaus, nämlich hinein in den Mikrokosmos (das ganz Kleine) sowie in den Makrokosmos (das ganz Große). Wo die menschlichen Sinnesorgane zu grob (Mikrokosmos) oder zu fein (Makrokosmos) für diese Maßstäbe sind, da entzieht sich der Gegenstand der unmittelbaren menschlichen Anschauung, und es werden handwerkliche Hilfsmittel eingesetzt, um diese Sachverhalte in den menschlichen Mesokosmos zu übersetzen: So wird gewissermaßen das Unsichtbare sichtbar gemacht.

Diese Übersetzungen geschehen vermittels formal geregelter Vorgehensweise, die auf eine saubere, nachvollziehbare und folgerichtige Darstellung zielt; so können es andere Leute zu anderer Zeit an anderem Ort auch verstehen. Als Bestandteil dieser sauberen, nachvollziehbaren und folgerichtigen Darstellung werden künstliche Sachverhalte unter formal geregelten Bedingungen erzeugt, die im Idealfall von anderen Leuten zu anderer Zeit an anderem Ort wiederholt werden können. Klappt so eine Wiederholung nicht oder zeigt sich die Darstellung anderweitig nicht als nachvollziehbar oder folgerichtig, so muss nachgebessert werden.

Zum Fach "Theologie"

Dass Theologie vornehmlich bekenntnisgebunden studiert und gelehrt wird, stellt in der Tat eine - sowohl historisch als auch durchaus systematisch bedingte - Eigenart dieses Faches dar. Die Unterscheidung zwischen katholischer, protestantischer, orthodoxer oder gar jüdischer (Jüdische Studien) und islamischer (Islamwissenschaft) Theologie ist einerseits schärfer als z.B. zwischen "orthodoxer" (neo-klassische Synthese) und "heterodoxer" (Marxismus, Österreichische Schule, ...) Wirtschaftswissenschaft oder zwischen newtonscher und einsteinscher Physik, andererseits aber nicht so scharf wie z.B. zwischen Soziologie und Sozialgeschichte oder Ethnologie und Archäologie. Die Bekenntnisgebundenheit der Theologie markiert damit mehr als nur Denkschulen, aber doch weniger als separate Fächer. Im Sinne der akademischen Pluralität scheint mir so eine dritte Ebene problemlos tolerabel.

Mittwoch, 4. April 2018

"Sklaverei in der Bibel": Levitikus 25

Lev 25,44-46:
Die Sklaven und Sklavinnen, die euch gehören sollen, kauft von den Völkern, die rings um euch wohnen; von ihnen könnt ihr Sklaven und Sklavinnen erwerben. Auch von den Kindern der Halbbürger, die bei euch leben, von den Kindern, die sie in eurem Land gezeugt haben, könnt ihr Sklaven erwerben. Sie sollen euer Eigentum sein, und ihr dürft sie euren Söhnen vererben, damit diese sie als dauerndes Eigentum besitzen, ihr sollt sie als Sklaven haben. Aber was eure Brüder, die Israeliten, angeht, so soll keiner über den anderen mit Gewalt herrschen.

Ich verstehe diese Passage zunächst einmal als Auszug aus einem größeren Text, und ich frage folglich: Aus welchem Text ist diese Passage entnommen? In welchem Kontext steht diese Passage? Im Grunde ist das das normale Prozedere, um Texte aus der menschlichen Kulturgeschichte zu verstehen. 

Und weil die Bibel eine Sammlung von Texten aus der menschlichen Kulturgeschichte beinhaltet, lässt sich dieses Vorgehen auch auf die Schriften der Bibel anwenden:

Sonntag, 14. Januar 2018

Theologie und Wissenschaft

Von Zeit zur Zeit erreichen mich Artikel wie dieser hier, die sich kritisch mit der Wissenschaftlichkeit der Theologie auseinandersetzen. Es geht mir hier nun um die Evaluierung von drei konkreten Punkten, die zwar im Herzen der vorgebrachten Argumentation stehen, aber eher ungenau präsentiert werden.


Donnerstag, 11. Januar 2018

Die Grenzen der Vernunft

Der katholische Glaube spricht auch über die Grenzen der Vernunft. Hier liegt der Anknüpfungspunkt zum philosophischen Teilbereich der Erkenntnistheorie bzw. Epistemologie, die sich u.a. ebenfalls mit diesen Grenzen beschäftigt. Kirchenlehre ist dabei:

  • Der Mensch kann vermittels seiner natürlichen Vernunft selbständig erkennen, dass Gott ist (Katechismus der Katholischen Kirche, Ziffer 31-35).
  • Der Mensch kann vermittels seiner natürlichen Vernunft jedoch nicht selbständig erkennen, was oder wie Gott ist - hierfür bedarf es der Offenbarung (KKK 36-38).
  • Das Reden von und über Gott besitzt immer schon Grenzen und kann Gott nie vollständig in der Sprache abbilden (KKK 39-43).