Freitag, 29. Dezember 2017

Theodizee

Ich sehe keinen Widerspruch zwischen a) dem Bezug zu Leuten, die sich schon vor mir Gedanken über Fragen gemacht haben, die auch ich mir stelle, und b) einem persönlichen Statement, das ich abgebe. Ich muss ja nicht zwanghaft das Rad neu erfinden - weder in der Wissenschaft noch in der Musik noch im Glauben. Und wenn mich ein fremder Gedankengang überzeugt, dann wäre es a) unsinnig, ihn abzulehnen bloß weil er nicht auf meinem eigenen Mist gewachsen ist, und b) unredlich, ihn gegenüber Dritten als meine eigene Erfindung auszugeben. Ich weiß, dass man das auch anders sehen kann: Anderen zu unterstellen, sie hätten das Potenzial, einen selbst zu überzeugen, versteht sich nicht von selbst.

Was die Theodizee angeht, bin ich nun in einer Zwickmühle zwischen dem, was ich denke, und dem, was gemeinhin von mir verlangt wird: Was ich denke, steht - genau wie die übliche theologische Fragestellung - unleugbar in der Tradition der abendländischen Geistesgeschichte vom antiken Griechenland bis heute. Verlangt wird meist hingegen eine Antwort, die diesen Bezug nicht erkennen lassen darf - im Gegensatz zur Frage selbst, die mit der Bezeichnung als Theodizee natürlich einen klaren Bezug formuliert.

Versuch einer Antwort, aufgrund der Aufgabenstellung notwendig verkürzt:

Mittwoch, 27. Dezember 2017

Religion, Politik und Idiotie

Die res privatae bezeichnen historisch die privaten, persönlichen oder individuellen Reichtümer, und sie stehen in Kontrast zur res publica, d.h. dem Gemeinwesen oder Gemeinwohl. Die privaten Besitztümer unterstehen der jeweiligen Hausordnung, sind also Teil der oikonomia, während das Gemeinwesen sich in der polis verwirklicht - dort haben unsere Begriffe "Ökonomie" und "Politik" ihre Wurzeln. Radikal-Liberale und Libertäre legen auf diese historischen Ursprünge z.B. besonderen Wert, insofern sie die Marktwirtschaft als Privatrechtsordnung begreifen, welche dem öffentlichen Recht des Staates gegenübersteht, und sie entsprechend verteidigen. Insofern ist Wirtschaft im Kern die Privatsphäre, so wie Politik im Kern Öffentlichkeit bedeutet.

Mittwoch, 20. Dezember 2017

Zum Unterschied der Wissenschaften

Der Unterschied zwischen den Naturwissenschaften (NW) und den Geistes-, Gesellschafts- und Kulturwissenschaften (GGKW) ergibt sich nicht aus dem Erkenntnis-objekt, sondern aus dem jeweiligen Erkenntnis-interesse. Der Übergang vom Subjektiven ins Objektive und/oder umgekehrt ist bei den einen nicht früher oder später als bei den anderen. Es verhält sich lediglich so, dass in den NW bestimmte Dinge als selbstverständlich vorausgesetzt und als gegeben angenommen werden, die man in den GGKW gerade hinterfragt.

Mittwoch, 13. Dezember 2017

Zur naiven Bibelexegese

Man sollte zunächst einmal unterscheiden zwischen der wörtlichen Lesart, wie sie am Beispiel der christlichen Tradition bereits vor dem Aufkommen des Fundamentalismus praktiziert wurde (z.B. im Rahmen des vierfachen Schriftsinns), und der ... ich nenne sie mal "wortwörtlichen" Lesart, wie sie im Fahrwasser des Fundamentalismus ab dem 19. Jahrhundert heutzutage auch ganz gerne von Glaubens-, Kirchen- und Religionskritikern praktiziert wird. Da gibt es durchaus erhebliche Unterschiede, nicht zuletzt weil letztere Lesart eben schlicht naiv ist. So hat z.B. Augustinus von Hippo eine Schrift über das wörtliche Lesen des Buches Genesis verfasst (De Genesi ad litteram) - dies kann mit der Brille des Fundamentalismus aber nur schwer als "wortwörtliche" Lesart verstanden werden. Eben weil es keine naive Lesart beschreibt.

Hier liegt also ein erstes Missverständnis: Wörtliche Lesart und fundamentalistisch-naive Lesart sind nicht dasselbe. Zur Verdeutlichung vielleicht ein Beispiel:

Montag, 13. November 2017

Libertärer Ikonoklasmus: Murray N. Rothbard

Dass sich die Situation für einen Durstigen in der Wüste, der auf einen Wasserbesitzer trifft, effektiv nicht ändern würde, ist ein populärer libertärer Denkfehler. Denn in der Begegnung mit einem anderen Menschen setzt auch eine neue Situation ein: sowohl für den Durstigen als auch für denjenigen mit Wasser. Es sei denn, der andere Mensch zählt gar nicht als anderer Mensch.


Sonntag, 17. September 2017

Self-movement and spiritual death

Death as a theological concept (and mind you, the Genesis narrative presents a theological reflection, not a scientific, or biological, or psychological study) is distinct from mere material (physical, chemical, biological) change, or trans-formation, or meta-bolism, even though it can correspond with it.

Samstag, 16. September 2017

On original sin

The fall of man, or original sin (peccatum originale originans) as one might call it, is not so much a chronological state or phase but rather an ontological moment in nature as man experiences it. Therefore, the account of the natural sciences might not show any differences between the time before man and with man: it's just beyond their scope, and rightly so - they don't need to be concerned with that kind of question.

On a side note, one should also distinguish between natural desasters, diseases or consumption within the animal world, and cruel, immoral or sinful behaviour in the human world. A lion is not "evil" for eating the antelope, the eagle is not "immoral"  when he hunts the gopher, and the crocodile doesn't "sin" by devouring the gnu. It's just what they do. Man, however, has the ability to reflect on his behaviour, to distinguish between good and bad (or evil) - in other words: man can go beyond or against his nature, other animals can't.

Mittwoch, 13. September 2017

Die politische Mitte in der Bundesrepublik Deutschland

In der Weimarer Demokratie beschrieb die Mitte den negativen Raum zwischen den Kommunisten auf der linken Seite sowie den Monarchisten auf der rechten Seite. Die Mitte war hier gewissermaßen eingeklemmt zwischen zwei Republikfeinden: Einerseits diejenigen, die die parlamentarische Republik auf den "Fortschritt" zur Räterepublik hin abschaffen wollten; andererseits diejenigen, die die parlamentarische Republik unter Rückgriff auf (vermeintlich) historische Vorbilder hin abschaffen wollten. Die Zentrumspartei (mit Abstrichen auch SPD, DDP und DVP) stand in dieser Mitte, was sich z.B. daran zeigt, dass das Zentrum gewissermaßen universal anschlussfähig war, Regierungsbündnisse von der SPD bis hin zur DNVP schließen konnte und so an den meisten Regierungen der WR beteiligt war. In Frankreich, wo die republikanische Tradition anders als im Deutschland zur Weimarer Zeit wesentlich zur nationalen Identität gehört, stellt sich die Lage anders dar: Hier stehen rechts und links nicht in erster Linie die Republikfeinde, sondern es stehen dort unterschiedliche Konzeptionen von der Republik. Einerseits die Sozialisten, die ihren Fokus mehr auf die innenpolitische Stärke der Republik hinsichtlich der Gesellschaft legen; andererseits die Gaullisten, die ihren Fokus mehr auf die außenpolitische Stärke der Republik hinsichtlich der Staatengemeinschaft legen. Le centre steht dazwischen, ohne wirklich eine dominante Position besetzen zu können. Analog verhält es sich auch bspw. in den USA zwischen Demokraten und Republikanern, deren Unterschied traditionell unter den Begriffen welfare und warfare subsumiert wird. Hier gibt es faktisch keine Partei der Mitte. Was diese genannten Beispiele betrifft, kann man durchaus sagen, dass die Mitte den halben Weg von der einen zur anderen Seite beschreibt.

Mittwoch, 23. August 2017

Filioque

The filioque isn't a heretical addition to the Faith, it is a non-Byzantine expression of the Faith.

Dienstag, 11. Juli 2017

Nachtgedanken: "Ehe für alle"

Ich muss ja sagen, dass das neuerliche Gesetz im Sinne der Nomentheorie durchaus stringent ist: Materiell ändert sich (so gut wie) nichts, es wird nur der Name vereinheitlicht. So als würde ein Hausmeier neuerdings den Namen des Königs tragen. Das Problem ist der Name - ja. Aber eben deswegen, weil er äquivok verwendet wird: erstens für das Sakrament, zweitens für den zivilrechtlichen Akt, sowie  drittens für das kulturgeschichtliche Phänomen einer gesellschaftlichen Verbindung

Historisch und religiös ist die Ehe eben nicht nur die Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau - das ist sie ja nicht einmal biblisch oder alttestamentarisch -, sondern sie ist in erster Linie Gütergemeinschaft. Die Zivilehe ist ihrem ursprünglichen Zweck nach eine explizite Kampfansage an die religiöse Verbindung, und sie ist darum in erster Linie Rechtsgemeinschaft. Und so ist das Sakrament als unauflösliche Verbindung von Mann und Frau mitsamt Offenheit für Kinder durchaus so etwas wie katholisch-orthodoxes Sondergut: eben Liebesgemeinschaft.

Insofern würde ich sagen: Gebt dem Kaiser, was ihm gehört - und hört gleichzeitig auf, den zivilrechtlichen Akt "Ehe" zu nennen. Wenn schon Gleichstellung, dann bitte als eingetragene Lebenspartnerschaft: Verpartnerung für alle!

Stichwort Adoption: Weg mit dem vermeintlichen "Recht" auf Adoption als Paar qua Trauschein. Die Sache ließe sich nämlich auch im Adoptionsrecht regeln, beispielsweise indem dort das Recht eines Kindes auf Vater und Mutter festgeschrieben wird.

Donnerstag, 22. Juni 2017

Über den Zweck von Religion

Der Zweck von Religion als historischem Phänomen liegt - analog zu den historischen Phänomenen Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Kultur - in der Verarbeitung der menschlichen Kontingenzerfahrung: In der Wirtschaft geschieht das über die Allokation von Gütern, in der Gesellschaft über soziales Handeln, in der Politik über die Beantwortung gemeinschaftlicher Fragen und in der Kultur über die Herstellung von Artefakten. In der Religion vollzieht es sich über den Bezug auf ein Unverfügbares, ein Absolutum.

Es sind dies (die) fünf Grundvollzüge menschlicher Geschichtlichkeit, und sie lassen sich einerseits jeweils nicht aufeinander reduzieren, andererseits aber auch nicht strikt voneinander trennen - wohl lassen sie sich aber aufeinander bezogen voneinander unterscheiden. Zudem hängen sie prozesshaft miteinander zusammen: Das Unverfügbare findet der Einzelne immer schon vor, und sein Handeln resultiert in einem Artefakt. 

So viel zum deskriptiv darstellbaren Zweck der Religion. Daneben lässt sich natürlich auch noch ein normativer Zweck identifizieren:

Montag, 5. Juni 2017

Das Drama der menschlichen Todesfurcht


Der Abendländer kennt ein Bonmot, das Chilon von Sparta, einem der sieben Weisen des alten Griechenland, zugeschrieben wird:

De mortuis nil nisi bene
- "Über die Toten nur (wörtl.: nichts, wenn nicht) Gutes"

Zugleich ist der Abendländer natürlich des römischen Rechts eingedenk, in dem sich der Grundsatz findet:

Audiatur et altera pars
- "Auch die andere Seite soll gehört werden"

In der Gegenüberstellung beider Sentenzen steckt nun das ganze Drama der menschlichen Todesfurcht:

Donnerstag, 20. April 2017

Utrum haeretici sint tolerandi (STh II-2 Q.11 a.3): Sollen Häretiker geduldet werden?

Die Frage Utrum haeretici sint tolerandi - Ob Häretiker geduldet werden sollen? - finden wir bei Thomas von Aquin in seiner Summe der Theologie Teil II-2 Quaestion 11 Artikel 3. Ein kurzer Abriss ohne den Anspruch einer Übersetzung, sondern mehr den einer Zusammenfassung:

Donnerstag, 13. April 2017

Der Gott der Philosophen

Gott soll einem, um ein volkstümliches Bonmot aufzugreifen, gar nichts abnehmen, sondern viel mehr die Schultern stärken. Hier sehe ich ein grundlegendes Missverständnis in der Debatte überhaupt: Es wird oftmals eine Erwartungshaltung an den Diskurs getragen, die - wenn überhaupt - nur von Teilgruppierungen aus der evangelikalen, fundamentalistischen oder kreationistischen Ecke erfüllt wird. So wird vom Speziellen fälschlich auf das Allgemeine geschlossen, und der Palaver ist da.

Dienstag, 21. Februar 2017

Nachtgedanken: Gesellschaft und Arbeitsmarkt

Es muss unterschieden werden: Die Befristung von Arbeitsverträgen ohne Sachgrund und Zeitarbeit, d.h. Arbeitnehmerüberlassung ("Personalleasing", "Leiharbeit"), sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Beides ist per se nicht "ausbeuterisch", sondern es sind Modalitäten, um flexible Arten der (sozialversicherungspflichtigen) Beschäftigung vertraglich abzubilden. Das entspricht im ökonomischen Sinne durchaus der größer werdenden Individualisierung auf gesellschaftlicher Ebene: Dass man mit 17 in einen Beruf einsteigt, den man dann bis 67 macht, passiert nun einmal immer seltener. Es sind am Ende aber doch zwei wesentlich unterschiedliche Dinge.