Phänomenologisch.-- "Aufklärung ist ein Phänomen, das den Logos vom Mythos scheidet und sich dem Logos verschreibt." Demnach beschränkt sich Aufklärung nicht nur auf eine bestimmte Epoche, sondern kann bis in die überlieferte Antike hinein beobachtet werden. Das institutionalisierte Christentum wäre hierbei institutionalisierte Aufklärung, da im Christentum der Logos den Primat gegenüber dem Mythos besitzt.
Soteriologisch.-- "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit." Demnach zeichnet sich Aufklärung durch einen dezidiert erlösenden Charakter aus. Das Kreuz wäre damit dem Wesen nach die höchste denkbare (Form der) Aufklärung, da im Kreuz die selbst verschuldete Unmündigkeit des Menschen gegenüber dem Absoluten ihr Ende findet. Insofern das gelebte Christentum unter dem Kreuz steht, wäre es der Hort der Aufklärung schlechthin.
Ideologisch.-- "Aufklärung ist Rückbesinnung auf die Antike." Demnach ist Aufklärung der Bezug zu Ideen, die im Gegensatz zum als dunkel verbrämten Mittelalter stehend begriffen werden. So verstanden wäre gerade die römische Papstkirche ein Hort der Aufklärung. Denn im Gegensatz zu all den Herrschaften und Herrschaftsräumen, die im frühen, hohen und späten Mittelalter gerade in Europa entstanden sind, kann man der Papstkirche nicht den Vorwurf machen, sie sei zu weit vom antik-römischen Erbe fortgeschritten (der Vorwurf des dunklen Mittelalters ist essentiell vorgeworfener Fortschritt). Schließlich lebt hier rituell, gerade in den liturgischen Gewändern, und ideologisch der antike Kaiserhof fort (man denke an den Anspruch, den bspw. die "Konstantinische Schenkung" formuliert). Ganz zu schweigen davon, dass es durchweg auch außerhalb der Kirchenstruktur eine Antikenbegeisterung gab (siehe z.B. die "Renovatio Senatūs" im Rom zur Zeit Friedrich Barbarossas).
Chronologisch.-- "Aufklärung ist die Epoche im 17. und 18. Jahrhundert der europäischen Geistesgeschichte." Demnach ist die Zeit zwischen dem zweiten und dem 17. Jahrhundert definitionsgemäß kein Hort der Aufklärung. Andererseits handelt es sich bei diesem Zeitraum nicht automatisch um "1500 Jahre gelebtes Christentum". Von dieser Grundlage aus zu debattieren, wäre nun schlichtweg tautologisch: Die Zeit vor dem 17./18. Jahrhundert liegt vor dem 17./18. Jahrhundert.
Politologisch.-- "Aufklärung ist, wenn ein Gemeinwesen nicht durch das Übernatürliche legitimiert wird." Demnach ist ein Staat dann nicht aufgeklärt, wenn ein Monarch von Gottes Gnaden an der Spitze steht. So gesehen gab es vom Frankenkönig Chlodwig I. bzw. dessen Taufe irgendwann zwischen 497 und 507 bis zum Zusammenbruch der Hohenzollern- und Habsburger-Monarchie(n) 1918 keinen aufgeklärten Staat in Mitteleuropa-Deutschland, sondern in der Tat "1500 Jahre (zumindest staatlich) gelebtes Christentum". Aber auch hier ist die Diskussionsgrundlage tautologisch: Vor dem Zusammenbruch der Monarchie von Gottes Gnaden gab es die Monarchie von Gottes Gnaden. (Und England wäre z.B. noch heute kein aufgeklärtes Land.)
Soziologisch.-- "Aufklärung ist, wenn soziales Handeln nicht vom Übernatürlichen bestimmt wird." Demnach ist soziales Handeln, das von übernatürlichen Grundlagen zehrt, nicht aufgeklärt. Das praktische Umsetzen des doppelten Liebesgebotes z.B. wäre damit unaufgeklärt, ebenso das Befolgen der zehn Gebote oder der goldenen Regel. Inwieweit man von "1500 Jahre gelebtem Christentum" sprechen kann, könnte dabei anhand der Umsetzung z.B. dieser Handlungsmaximen geprüft werden.
Technologisch.-- "Aufklärung ist der Fortschritt, den ein aufgeklärtes Gemeinwesen produziert." Demnach ließe sich Aufklärung am politischen, sozialen, ökonomischen und/oder technischen Fortschritt messen, der seit dem Beginn der europäischen Moderne, spätestens seit dem 20. Jahrhundert gemacht wurde. Die Diskussionsgrundlage wäre hier allerdings auch tautologisch: Die Vormoderne war vormodern.
Diese Liste ist natürlich nicht vollständig und Hinzufügungen und Kritik sind sehr willkommen.